Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsanspruch. Übergangsgeld. Rentennachzahlung. Erfüllungsfiktion gem § 116 Abs 3 SGB 6
Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Zusammenhang mit einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben Übergangsgeld gewährt und später rückwirkend Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt, führt dies wegen der Anrechnungsregelung des § 52 Abs 1 Nr 4 SGB 9 zu einem Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger nach § 104 SGB 10.
2. Diesem Erstattungsanspruch steht die Regelung des § 116 Abs 3 S 1 SGB 6 nicht entgegen. § 116 Abs 3 S 1 SGB 6 bewirkt lediglich eine dem § 107 Abs 1 SGB 10 entsprechende Erfüllungsfiktion und entfaltet damit ausschließlich Wirkung gegenüber der Versicherten und gerade nicht gegenüber dem nach § 104 SGB 10 erstattungsberechtigten Leistungsträger.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz 2 vgl SG Karlsruhe vom 14.7.2011 - S 11 R 5530/10 = juris RdNr 15.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 02.12.2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Erstattungsanspruch für die Gewährung von Übergangsgeld bei rückwirkender Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente.
Die Klägerin gewährte der Versicherten A. (im Folgenden: Versicherte) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 97 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 33 und §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) für den Zeitraum vom 23.10.2006 bis 22.01.2009 im Behindertenzentrum S. e.V. und bewilligte u.a. Übergangsgeld als unterhaltssichernde Leistung in Höhe von kalendertäglich 8,21 € (Bescheid der Klägerin vom 19.12.2006, Bl. 41 Kl.-Akte). Der Bemessung des Übergangsgeldes lag das Bemessungsentgelt des zuletzt im November 2003 entstandenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld (vgl. Bl. 33/34 Kl.-Akten) zu Grunde.
Später bewilligte die Beklagte der Versicherten auf Grund eines Versicherungsfalles der vollen Erwerbsminderung am 10.01.2006 mit Bescheid vom 16.04.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.01.2009 (Bl. 51 Kl.-Akte; Bl. 16 Bekl.-Akte); dies teilte die Versicherte der Klägerin noch im April 2007 mit (Bl. 50 Kl.-Akte; zwischenzeitlich bezieht die Versicherte die Rente wegen Erwerbsminderung als Dauerrente, Bl. 60 Bekl.-Akte). Die laufende monatliche Rentenzahlung ab 01.06.2007 betrug 120,44 €, die - zunächst einbehaltene und letztlich nicht ausgezahlte (Bl. 29 LSG-Akte) - Nachzahlung für den Zeitraum vom 01.08.2006 bis 31.05.2007 belief sich auf 1.207,60 €. Mit Bescheid vom 03.09.2007 hob die Beklagte diesen Rentenbescheid vom 16.04.2007 “nach § 48„ Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wieder auf, berechnete die Rentennachzahlung wegen des stattgefundenen Übergangsgeldbezuges durch die Klägerin vom 23.10.2006 bis 31.05.2007 neu und ermittelte den - vorläufig - einbehaltenen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 327,44 € (Bl. 39 Bekl.-Akte); diese Nachzahlung bezog sich auf den Zeitraum vom 01.08.2006 bis 22.10.2006, also auf die Zeit vor dem Übergangsgeldbezug durch die Klägerin, und wurde auf Grund eines Erstattungsanspruchs für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) an das JobCenter S. ausgezahlt (Bl. 57 Bekl.-Akte, Bl. 29 f. LSG-Akte). Für die Zeit vom 23.10.2006 bis 31.05.2007 ergab sich keine Nachzahlung, weil - so die Ausführungen im Bescheid - der Anspruch auf Rente durch das gezahlte Übergangsgeld als erfüllt gelte.
Anlässlich der Rentenbewilligung hob die Klägerin - gestützt auf § 48 SGB X - gegenüber der Versicherten mit Bescheid vom 15.05.2007 den Übergangsgeldbescheid vom 19.12.2006 teilweise auf und bewilligte Übergangsgeld für den Zeitraum vom 23.10.2006 bis 22.01.2009 wegen der Anrechnung der Erwerbsminderungsrente in Höhe von kalendertäglich 4,01 € lediglich noch in Höhe von kalendertäglich 4,20 € (Bl. 61 Kl.-Akte, Bl. 26 Bekl.-Akte). Eine Rückforderung des überzahlten Übergangsgeldes erfolgte nicht.
Gleichzeitig machte die Klägerin mit Schreiben vom 15.05.2007 und unter Berufung auf § 104 SGB X bei der Beklagten den hier streitgegenständlichen Erstattungsanspruch für die Zeit vom 23.10.2006 bis 30.04.2007 in Höhe von 757,89 € geltend (Bl. 72 Kl.-Akte, Bl. 26 Bekl.-Akte). Die Beklagte lehnte diesen Anspruch unter Hinweis auf die Erfüllungsfiktion des § 116 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab (s. insbes. Bl. 97 ff. Kl.-Akte, Bl. 42, 45 Bekl.-Akte).
Erstattungsansprüche für den streitigen Zeitraum machten - erfolglos - auch das JobCenter S. (bewilligte monatliche Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 480,15 €, im Hinblick auf die Rentengewährung nach § 48 SGB X teilweise aufgehoben, Bl. 23 Bekl.-Akte) und das Sozialamt der Stadt S. (Leistungen nach § 92 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII -, wofür ein - aus der Rente zu erstattender - Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 20,086 € anfalle, Bl. 24, 28 Bekl.-Akte) geltend.
Das am 19.01.2009 von der K...