Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht. arbeitnehmerähnlicher Selbständiger. Befreiung. Antragsfrist. Analogie. Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
Für den Beginn der Versicherungspflicht kommt eine entsprechende Anwendung des § 7b SGB IV nicht in Betracht
Normenkette
SGB IV § 7b; SGB VI § 2 S. 1 Nr. 9, § 231 Abs. 5 Sätze 1, 3-4
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Oktober 2006 abgeändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird geführt über die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht als Selbstständiger in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV), hilfsweise deren Beginn.
Der am … 1955 geborene Kläger ist 1992 aus Kasachstan zugewandert. Er betreibt ein seit 29. November 1995 angemeldetes Gewerbe mit Kleintransporten jeglicher Art. Ganz überwiegender Auftraggeber ist die H. S. GmbH (Spedition, Möbeltransporte, Umzüge) - im Folgenden: GmbH - in N.. Vorrangiger Inhalt des Aufgabengebiets (vgl. Distributions-/Frachtführervertrag vom 16. September 1999) ist Transport, Anlieferung und Montage von Kücheneinrichtungen, nach den Angaben des Klägers vorwiegend der Firmen Quelle und Neckermann, sowie von sonstigem Mobiliar und Teppichen.
Der Kläger unterhält bei der Allianz Lebensversicherungs AG (im Folgenden: AG) drei im Jahr 1995 geschlossene Versicherungen, eine Kapitallebensversicherung mit Zusatzversicherung (Ablauftermin 01. Juli 2020) für Berufsunfähigkeit und den Todesfall (Versicherungsvertrag 246808613), eine Rentenversicherung (Ablauftermin 01. Juni 2020) für Berufsunfähigkeit (Versicherungsvertrag 246805908) sowie eine Kapitallebensversicherung (Ablauf 01. Dezember 2010) für Berufsunfähigkeit (Versicherungsvertrag ...). Die monatlichen Beiträge beliefen sich im August 2006 auf € 112,89, € 156,81 und € 49,08.
Am 21. November 2001 stellte der Kläger bei der Beklagten (damals noch Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gemäß § 7a des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV). Die GmbH bescheinigte unter dem 28. Januar 2002, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liege nicht vor. Die Beklagte erteilte den Bescheid vom 03. Februar 2003. Mangels Direktionsrecht eines Arbeitgebers überwögen die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit. Dieser Bescheid wurde bindend.
Mit Schreiben vom 14. April 2003 und Erinnerung vom 26. Mai 2003 forderte die Beklage den Kläger zur näheren Beschreibung seiner Tätigkeit auf, um zu prüfen, ob aufgrund der selbständigen Tätigkeit Versicherungspflicht in der RV bestehe. Im Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der RV für Selbständige vom 01. Juni 2003 erläuterte der Kläger, er übe die Tätigkeit nicht weniger als 15 Stunden wöchentlich aus, beschäftige keinen Arbeitnehmer und sei nur für einen Auftraggeber tätig. Ferner wies er darauf hin, er habe eine Versorgungsanwartschaft aufgrund eines Vertrages mit der AG. Eine Anfrage vom 01. Oktober 2003, ob er im Hinblick auf eine seit 01. Januar 1999 bestehende Versicherungspflicht als selbständig Tätiger an der Zahlung eines einkommensgerechten Beitrags auf der Grundlage des tatsächlichen Arbeitseinkommens (Gewinn) interessiert sei, beantwortete der Kläger innerhalb der Frist nicht.
Durch Bescheid vom 06. November 2003 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 01. Januar 1999 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) versicherungspflichtig sei; die Beklagte setzte die zu zahlenden Beiträge nach dem Regelbeitrag fest. Vom 01. Januar bis 31. März 1999 ergab sich ein monatlicher Beitrag von DM 895,23 vom 01. April bis 31. Dezember 1999 von DM 859,59, vom 01. Januar bis 31. Dezember 2000 von DM 864,64, vom 01. Januar bis 31. Dezember 2001 von DM 855,68, vom 01. Januar bis 31. Dezember 2002 von € 447,90 und vom 01. Januar bis 30. November 2003 von € 464,10. Die Gesamtforderung war auf € 26.365,23 errechnet.
Inzwischen hatte der Kläger mit am 03. November 2003 eingegangenem Schreiben unter Hinweis auf die Lebensversicherung bei der AG einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Selbständiger gestellt. Es sei ihm auch nicht möglich, den hohen Regelbeitrag oder einen einkommensgerechten Beitrag zu zahlen. Die Beklagte erließ den ablehnenden Bescheid vom 11. November 2003. Der Antrag nach § 231 Abs. 5 SGB VI sei nicht innerhalb der Jahresfrist nach Beginn der Versicherungspflicht mit 01. Januar 1999 gestellt worden.
Der Kläger legte am 05. Dezember 2003 Widerspruch gegen beide Bescheide ein. Es bestünden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Versicherungspflicht von Selbständigen, die überwiegend für einen Auftraggeber tätig seien, im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz. Es dürfe allein auf die eigenständige vernünftige Altersvorsorge ankommen. Er habe im März 1995 beschlosse...