Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Anstellungsvertrag kein Scheingeschäft. keine Übertragung der BFH-Rechtsprechung zur (möglichen) Gleichstellung eines nicht beherrschenden Gesellschafters mit einem beherrschenden Gesellschafter auf die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht. Kostenentscheidung bei einem Streit mit einheitlichem Streitgegenstand und kostenrechtlich privilegierten Hauptbeteiligten
Leitsatz (amtlich)
1. Anstellungsverträge mit Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH sind keine Scheingeschäfte (§ 117 BGB), selbst wenn sie nur deshalb in einer bei Fremdgeschäftsführern üblichen Weise gefasst wurden, um zu verhindern, dass die den Gesellschafter- Geschäftsführern gezahlten Entgelte vom Finanzamt als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet werden. Die Rechtsprechung des BFH zur (möglichen) Gleichstellung eines nicht beherrschenden Gesellschafters mit einem beherrschenden Gesellschafter kann nicht auf die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern übertragen werden.
2. Sind bei einem Streit mit einheitlichem Streitgegenstand kostenrechtlich Privilegierte Hauptbeteiligte (Kläger oder Beklagter), greift auch bei subjektiver Klagehäufung mit einem nicht Kostenprivilegierten die Regelung für Kostenprivilegierte ein (Anschluss an BSG vom 26.9.2006 - B 1 KR 1/06 R = BSGE 97, 112-125).
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 01.10.2020 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Klage- und im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die vom beklagten Rentenversicherungsträger (Clearingstelle) im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) getroffene Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung der Kläger zu 2) und zu 3) in ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Klägerin zu 1) vom 01.01.2016 bis 03.02.2019.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in F. Sie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 27.08.2004 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist die Aufbereitung von mineralischen Baustoffen sowie Erd- und Tiefbau, Hof- und Wegebau, Abbrucharbeiten und ähnliche Gewerke sowie der Güterkraftverkehr - Nahverkehr. Am 22.05.2006 wurde die Klägerin in das Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000 €.
Der Gesellschaftsvertrag (Satzung) sieht in der Fassung vom 21.12.2015 vor, dass die Klägerin zu 1) einen oder mehrere Geschäftsführer hat, die durch Gesellschafterbeschluss bestellt und abberufen werden (§ 4 Abs 1 Gesellschaftsvertrag). Die Geschäftsführer haben die Geschäfte zu führen, dabei haben sie Weisungen im Einzelfall zu beachten (§ 4 Abs 2 Gesellschaftsvertrag). Alle über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Maßnahmen darf ein Geschäftsführer nur aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vornehmen (§ 4 Abs 3 Gesellschaftsvertrag). Den Geschäftsführern obliegen Planungs- und Berichtspflichten (§ 4 Abs 3 bis 6 Gesellschaftsvertrag). Ist nur ein Geschäftsführer vorhanden, so vertritt er die Klägerin zu 1) allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so vertritt jeder Geschäftsführer die Klägerin zu 1) in Gemeinschaft mit einem anderen Geschäftsführer oder einem Prokuristen (§ 5 Abs 1 Gesellschaftsvertrag). Durch Gesellschafterbeschluss kann allen oder einzelnen Geschäftsführern Einzelvertretungsbefugnis sowie Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) insgesamt oder nur beschränkt vom Verbot des Selbstkontrahierens oder vom Verbot der Vertretung eines Dritten erteilt werden. Außerdem kann bestimmt werden, dass ein Geschäftsführer nur in Gemeinschaft mit bestimmten anderen Geschäftsführern oder Prokuristen die Gesellschaft vertreten kann (§ 5 Abs 2 Gesellschaftsvertrag). Die Einberufung der Gesellschafterversammlung ist in § 6 des Gesellschaftsvertrages geregelt. Danach erfolgt die Einberufung durch Einladung in Textform durch einen Geschäftsführer, wobei zwischen dem Tag der Übermittlung der Einladung und dem Versammlungstag eine Frist von mindestens 14 Tagen liegen muss (§ 6 Abs 3 und 4 Gesellschaftsvertrag). Die Gesellschafterversammlung ist grundsätzlich beschlussfähig, wenn mehr als 75 % der Stimmen des Stammkapitals vertreten sind (§ 6 Abs 7 Gesellschaftsvertrag). Die Gesellschafterbeschlüsse werden grundsätzlich in Versammlungen gefasst (§ 7 Abs 1 Gesellschaftsvertrag). Die Gesellschafter fassen alle Beschlüsse, soweit nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften oder in der Satzung ausdrücklich etwas Anderes bestimmt ist, mit mindestens der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, im Übrigen mit einer Mehrheit von mindestens 75 % der abgegebenen Stimmen (§ 7 Abs 7 Gesellschaftsvertrag). Je 1,00 Euro eines Geschäftsanteils gewährt dabei eine St...