Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Ende des Krankengeldanspruchs. keine Zustimmungspflicht der Krankenkasse zum Widerruf eines Rentenantrags bei alleiniger Anwendung des § 77 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Allein die ordentliche Minderung der Rente nach den Vorschriften über den Zugangsfaktor verpflichtet eine Krankenkasse nicht, dem Widerruf eines Rentenantrags zuzustimmen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zustimmung der Beklagten zur Rücknahme eines Rentenantrages.
Die Klägerin ist die Ehefrau und Sonderrechtsnachfolgerin des im Januar 1949 geborenen und am 2013 verstorbenen G R, der bei der Beklagten versichert war (nachfolgend: Versicherter). Der Versicherte war wegen einer Krebserkrankung seit dem 21. Juli 2010 arbeitsunfähig und bezog Krankengeld. Er war anerkannter Schwerbehinderter mit einem GdB von 100. In einem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen Schreiben vom 12. Januar 2011 forderte die Beklagte ihn auf, wegen einer erheblichen Gefährdung bzw. Minderung seiner Erwerbsfähigkeit einen Antrag auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme bei seinem Rentenversicherungsträger zu stellen. Anderenfalls werde der Anspruch auf Krankengeld am 28. März 2011 erlöschen. Auf den entsprechend am 21. Februar 2011 gestellten Antrag hin gewährte die Beigeladene dem Versicherten in der Zeit vom 17. Mai 2011 bis zum 7. Juni 2011 ein stationäres Heilverfahren. Nach dem Entlassungsbericht blieb das verbleibende Leistungsvermögen auch nach dem Heilverfahren dauerhaft auf weniger als drei Stunden am Tag eingeschränkt.
Durch Schreiben vom 23. Juni 2011 informierte die Beklagte den Versicherten, dass der Antrag auf Rehabilitation als Rentenantrag gelte, weil die Rehabilitationsmaßnahme nicht zur Beseitigung der bestehenden Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit geführt habe. Durch Bescheid vom 26. Juli 2011 forderte die Beklagte ihn ausdrücklich auf, einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu stellen. Anderenfalls werde der Anspruch auf Krankengeld am 23. August 2011 erlöschen.
Dagegen erhob der Versicherte Widerspruch und beantragte, ihm die Zustimmung zum Verzicht auf die Umdeutung des Rehabilitationsantrags vom 21. Februar 2011 in einen Rentenantrag zu erteilen. Der Bescheid vom 26. Juli 2011 sei rechtswidrig, weil er nicht seine berechtigten Interessen berücksichtige. Die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Februar 2011 führe zu einer dauerhaften Kürzung der persönlichen Entgeltpunkte um 3,6 Prozent. Das gelte gleichermaßen für die erwartete Betriebsrente der E Zusatzversorgungskasse. Insgesamt sei auf der Grundlage der vorhandenen Rentenauskünfte ein Kürzungsbetrag von monatlich 65,20 € zu erwarten. Es bestehe danach ein schützenswertes, berechtigtes und die Belange der Versichertengemeinschaft überwiegendes Interesse am Hinausschieben des Rentenbeginns. Bei einer abschlagsfreien Versorgung würden der Beklagten auch dauerhaft höhere Beiträge zufließen.
Durch Bescheid vom 23. August 2011 lehnte die Beklagte ab, einer Rücknahme des Antrags auf Erwerbsminderungsrente zuzustimmen. Zwar könne ein Versicherter nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine förmliche Entscheidung der Krankenkasse dazu herbeiführen, ob sie nach erfolgter Aufforderung, einen Rehabilitationsantrag zu stellen, dem Verzicht des Versicherten auf die Umdeutung des gestellten Antrags in einen Rentenantrag zustimmt. Ein im Wege einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigendes berechtigtes Interesse des Versicherten am Hinausschieben des Rentenbeginns, das die Belange der Krankenkasse überwiege, liege hier aber nicht vor. Die notwendigen Mindestanwartschaftszeiten seien bereits erfüllt. Das Interesse, möglichst lange das höhere Krankengeld in Anspruch nehmen zu können, sei nicht schützenswert. Ein berechtigtes Interesse des Versicherten setze voraus, dass die Befugnisse der Krankenkasse nicht geschmälert würden. Es käme etwa in Betracht, wenn der Anspruch auf Betriebsrente durch den frühzeitigen Rentenbeginn verloren ginge, eine qualifizierte Wartezeit noch erreicht werden könnte oder die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner noch erfüllt werden könnten. Ein solcher Sachverhalt sei nicht gegeben. Unerheblich sei die niedrigere gesetzliche und betriebliche Rente. Eine niedrigere Rente sei systemimmanent und vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden. Eine Enteignung liege nicht vor, die Existenz des Versicherten sei offensichtlich gesichert. Die Entscheidung des LSG Niedersachsen, auf die sich der Versicherte noch beziehe, sei überholt.
Mit Bescheid vom 16. September 2011 bewilligte die Beigeladene dem Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2011 mit einem monatli...