Orientierungssatz
1. Vor Erlass eines beabsichtigten Aberkennungsverwaltungsaktes - hier die Entziehung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - muss die Behörde eine Anhörung nach § 24 Abs 1 SGB 10 durchführen. So ist es erforderlich, dass der Betroffene in Stande gesetzt wird, sich zu den Haupttatsachen zu äußern, die für die in Aussicht genommene Regelung maßgeblich sind (vgl BSG vom 24.07.2001 - B 4 RA 2/01 R - SozR 3-8850 § 5 Nr 5).
2. Zum Inhalt einer Anhörung nach § 24 Abs 1 SGB 10 und zur Begründung eines Widerspruchsbescheides nach § 35 Abs 1 S 2 SGB 10.
3. Eine Anhörung ist nicht dadurch nachgeholt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht erhält.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 18. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit zwischen den Beteiligten ist, ob die Beklagte die Bewilligung der vom Kläger bezogenen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vom 01. Dezember 2001 bis zum 30. September 2003 zu Recht aufgehoben hat.
Der 1956 geborene Kläger durchlief eine Teilfacharbeiterausbildung im Beruf des Schlossers für Anlagen und Geräte und hat zuletzt von 1993 bis 1995 als Maschinist gearbeitet. Danach war er bis August 1999 arbeitslos. Den Rentenantrag vom 17. Mai 1996, den der Kläger mit den Folgen von Operationen im Bereich der Wirbelsäule begründete, lehnte die Beklagte zunächst nach Einholung entsprechender medizinischer Unterlagen ab. Während des folgenden Klageverfahrens (SG Cottbus - S 6 KN 94/99 - ) wurde eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in B durchgeführt und im Entlassungsbericht vom August 1999 eine Leistungsfähigkeit für einfache und leichte Tätigkeiten in Aussicht gestellt. Dem trat der im damaligen Klageverfahren beauftragte Sachverständige, der Orthopäde Dr. J, in seinem Gutachten im Dezember 1999 entgegen und berichtete über ein aufgehobenes Leistungsvermögen. Für den Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten in Cottbus nahm die Sozialmedizinerin Frau K hierzu dahingehend Stellung, dass mit einer Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit auch nach Ablauf der Heilungsbewährung nicht gerechnet werden könne, aber eine Nachuntersuchung im Juli 2000 empfohlen werde, um festzustellen, ob eine Besserung der Beschwerden eingetreten sei und gegebenenfalls eine einfache und leichte Tätigkeit wieder durchgeführt werden könne.
Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 26. Mai 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit ab 01. September 1999, was zur Erledigung des damaligen Klageverfahrens führte.
Die von Frau K vorgeschlagenen Nachuntersuchungen erfolgten am 12. September 2000 durch den Orthopäden Dr. Z und am 13. Dezember 2000 durch den Neurologen und Psychiater Dr. L. Dr. Z diagnostizierte ein Lumbalsyndrom nach zweifacher lumbaler Bandscheibenoperation L 4/L 5 und L 5/S 1 bei Foramenstenosierungen und vertrat die Auffassung, die vom Kläger geschilderte Beschwerdesymptomatik und die Funktionsbehinderungen im Bereich des Achsenorgans, insbesondere der Lendenwirbelsäule, sei zwar nachvollziehbar, es bestünde jedoch noch eine Restleistungsfähigkeit für leichte, überwiegend administrative Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und unter Vermeidung des Hebens und Tragens von Lasten über 10 kg sowie unter Vermeidung von Zwangshaltungen der Wirbelsäule in temperierten Räumen. Überwiegend administrative und kontrollausübende Tätigkeiten seien unter Berücksichtigung der Funktionsbehinderung des Achsenorgans noch möglich, ohne zum zeitlichen Umfang einer derartigen Tätigkeit Stellung zu nehmen.
Der Neurologe und Psychiater Dr. L berichtete über eine Restsymptomatik in Form von anhaltenden Schmerzen nach den durchgemachten Operationen, die unter Belastung deutlich verstärkt in beide Beine ausstrahlten, weswegen der Kläger ein Morphinderivat in relativ hoher Dosierung erhalte. Auf seinem Fachgebiet habe er keine nennenswerten Gesundheitsstörungen festgestellt, die neurologischen Ausfälle beschränkten sich lediglich auf Sensibilitätsstörungen. Wenn der orthopädische Gutachter ausführe, der Kläger könne noch Tätigkeiten im administrativen Bereich ausführen, so sei darauf hinzuweisen, dass dieser seit fünf Jahren keine Berufstätigkeit mehr ausgeübt habe und eine Umschulungsmaßnahme wegen der psychischen Defizite sicher nicht in Frage käme.
Die Beklagte hörte den Kläger zu einer beabsichtigten Rentenentziehung an (Schreiben vom 18. April 2001) und hob mit Bescheid vom 21. November 2001 die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Wirkung vom 01. Dezember 2001 an auf. Ab dem gleichen Tage gewährte sie dem Kläger Rente wegen verminderter Berufsunfähigkeit im Bergbau. Die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit lehnte sie ab, da der Kläger noch als Pförtner, Bürohilfskraft, Telefonist, Serienprüfer im Wareneingang oder Maßprüfer arbeiten könn...