Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Berufung wegen Fehlens einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bei Klärung durch das Gesetz - Sterbevierteljahresbonus des Rentenversicherungsträgers als zu berücksichtigendes Einkommen bei Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn diese nicht klärungsbedürftig ist, weil sie durch Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften eindeutig zu beantworten ist.
2. Die Regelungen des § 67 Nr. 5 und 6 SGB 6 enthalten im Hinblick auf die Leistungen der Witwenrente im sog. Sterbevierteljahr kein nicht zu berücksichtigendes Einkommen i. S. des § 11a Abs. 3 S. 1 SGB 2. Infolgedessen ist der Sterbevierteljahresbonus kein nicht zu berücksichtigendes Einkommen i. S. des § 11 a Abs. 3 S. 1 SGB 2. Dies hat zur Folge, dass der Grundsicherungsträger einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger hat.
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 17. August 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 681,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist zulässig und statthaft. Die Berufung bedarf der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstands hier 10.000,00 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Die in § 144 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Voraussetzungen, unter denen die nach § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossene Berufung zuzulassen ist, sind nicht erfüllt.
Die Beklagte stützt ihre Beschwerde allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Sie hält es für klärungsbedürftig, ob der sogenannte Sterbevierteljahrbonus eine bestimmte Leistung im Sinne des § 11 a Abs. 3 Satz 1 2. Buch Sozialgesetz (SGB II) ist, mit der Folge, dass ein Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten insoweit gemäß § 104 SGB X nicht besteht.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Nicht klärungsbedürftig ist hingegen eine Rechtsfrage, wenn sie schon entschieden oder durch Auslegung der Rechtsvorschriften eindeutig zu beantworten ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage, § 144 Rz. 28 m.w.N.).
Die von der Beklagten insoweit formulierte Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, weil diese sich bereits aus dem Gesetz heraus ergibt bzw. zu beantworten ist. Die Vorschrift des § 11 a Abs. 3 Satz 1 SGB II in der maßgeblichen Fassung lautet: „Leistungen, die aufgrund öffentlich rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen“. Die Regelungen des § 67 Nr. 5 und 6 SGB VI enthalten im Hinblick auf die Leistungen der Witwenrente im sogenannten Sterbevierteljahr keinerlei Zweckbestimmung zum sogenannten Sterbevierteljahresbonus. Diese Vorschriften bestimmen (nur) für Witwen- und Witwernrenten einen erhöhten Rentenartfaktor von 1,0 bis zum Ende des dritten Monats nach Ablauf des Monats, in welchem der Ehegatte verstorben ist. Insoweit sind Sterbevierteljahresboni kein nicht zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 a Abs. 3 Satz 1 SGB II, (vgl. auch etwa LSG Bayern, Urteil vom 29. November 2017, L 11 AS 322/17; Beschluss des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. April 2021, L 14 R 999/20 NZB). Hieraus ergibt sich, dass ein Träger der Grundsicherung für Arbeitssuche, wie hier der Kläger, einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger hat. Auch der Hinweis der Beklagten auf ein Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vermag insoweit keine anders lautende, dem Gesetz widersprechende, Rechtsgrundlage darstellen bzw. stellt keine ausdrücklich normierte Zweckbestimmung im Sinne des § 11 a Abs. 3 Satz 1 SGB II dar (vgl. LSG NRW a.a.O., Rz. 6, zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes findet ihre Grundlage in §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI15085620 |