Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 7a SGB 4 aF zu § 7a SGB 4 in der am 1.4.2022 in Kraft getretenen Fassung im Rahmen noch offener Klageverfahren. Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Fahrzeugüberführer. Auftragsverhältnis. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 7a SGB IV aF zu § 7a SGB IV in der am 1.4.2022 in Kraft getretenen Fassung für vor dem In-Kraft-Treten der Neufassung des § 7a SGB IV von Seiten des Rentenversicherungsträgers abgeschlossene Statusfeststellungsverfahren, wenn die mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz nach dem 1.4.2022 stattfindet.
Orientierungssatz
Zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung einer Tätigkeit als Fahrzeugüberführer im Rahmen eines Auftragsverhältnisses (hier: Feststellung einer abhängigen Beschäftigung).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. Februar 2015, soweit dieses die Beigeladenen B1, B2 und B3 betrifft, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, soweit diese nicht den Verfahren S 8 R 280/12 und L 3 BA 12/22 zuzuordnen sind. Den Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist für die Tätigkeit der Beigeladenen als Fahrzeugüberführer streitig, ob der Beigeladene zu 1. auf Grund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Klägerin in der Sozialversicherung versicherungspflichtig und die Beigeladenen zu 2. und 3. jeweils auf Grund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Klägerin wegen Geringfügigkeit der Beschäftigung in der Sozialversicherung versicherungsfrei waren.
Die Klägerin ist eine am 13. August 2009 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand des Unternehmens ist nach der Eintragung im Handelsregister (Amtsgericht Stendal HRB 9***): „Planung, Organisation, Steuerung und Durchführung der Überführung von Kraftfahrzeugen, Lastkraftwagen und Fahrzeugen aller Art von und nach verschiedenen Standorten, Zwischenlagerung und alle damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten sowie Handel mit Fahrzeugen aller Art.“
Der Internetauftritt der Klägerin präsentiert folgenden Text (mit Ergänzung bzw. Streichungen durch den Senat in Kursivschrift in Klammern): „Unser Unternehmen erb[r]ingt spezialisierte Logistikdienstleistungen für gewerbliche Fahrzeugüberführer auf eigener Achse, Fahrzeughersteller und -ausrüster, Autohäuser und Autovermietunternehmen. Ein zertifiziertes Qualitätsmanagement nach ISO 9001:2008, geprüfte Partner, eine dem Auftragsumfang ausreichend gegenübergestellte Versicherungsleistung und eine lückenlose[-n] Dokumentation, das[-s] alles bietet Ihnen, als Auftraggeber, die erforderliche Sicherheit im Bereich europaweiter Fahrzeugüberführungen.“
Von der Klägerin wurden in den Jahren 2010 bis 2013 als Arbeitnehmer zwischen zwei und fünf kaufmännische Mitarbeiter*innen zur Sozialversicherung angemeldet.
Fahrzeugüberführungen für die Klägerin hat der Beigeladene zu 1. nach seinen Angaben bis November 2012 durchgeführt. Der Beigeladene zu 2. war nach der von ihm erstellten Übersicht der Einzelaufträge bis Juli 2011, der Beigeladene zu 3. nur in zwei Aufträgen im Dezember 2010 und Januar 2011 für die Klägerin tätig. Dem jeweiligen Beigeladenen sind die ihn betreffenden Verwaltungsakten im Folgenden durch den Zusatz „B 1“, „B 2“ und „B 3“ zugeordnet.
Die Auftragsannahme für die Fahrzeugüberführungen erfolgte in der Weise, dass die Fahrzeugüberführer sich in einem Internetportal mit Gewerbeanmeldung, persönlichen Daten, Personalausweis und Führerschein zunächst registrieren ließen. Teilweise erfolgten dort auch Ausschreibungen, die allgemein zugänglich waren. Die Fahrzeugüberführer hatten der Klägerin ein amtliches Führungszeugnis und einen aktuellen Auszug aus dem Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamtes vorzulegen. Soweit eine Nachunternehmervereinbarung geschlossen war, erhielten die Fahrzeugüberführer Auftragsangebote per E-Mail oder telefonisch. Sie konnten innerhalb von 10 Minuten (§ 1 Abs. 5 der Nachunternehmervereinbarung mit dem Beigeladenen zu 1.) bzw. 15 Minuten (Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 26. Februar 2013, Blatt 34 der Gerichtsakte aus dem Verfahren S 8 R 189/12 - L 3 BA 53/18 im Folgenden: „der Gerichtsakte“ ohne Angabe eines Az.) von der Klägerin unterbreitete Angebote für eine Fahrzeugüberführung annehmen. Die Details zu Zeit, Ort, Inhalt und Nebenleistungen wurden den Fahrzeugüberführern von der Klägerin per E-Mail übermittelt. Teilweise erfolgten telefonisch ergänzende Absprachen. Die Fahrzeuge waren bei Übernahme durch die Fahrzeugüberführer einer eingehenden Kontrolle (u.a. Verbandskasten, Warndreieck, Sauberkeit von Handschuhfach) zu unterziehen und ggf. bestehende Mängel an die Klägerin vor Antritt der Fahrt zu melden. Die Fahrt wurde nac...