Rz. 16
Der einmal entstandene Gebührenanspruch soll keine Beeinträchtigung dadurch erfahren, dass sich die "Angelegenheit vorzeitig erledigt" oder "der Auftrag vor der abschließenden Erledigung" endet. Hierbei handelt es sich um eine eminent wichtige Vorschrift, insbesondere für den Fall, dass der Auftraggeber, aber auch der StB selbst, die Zusammenarbeit aufkündigt, bevor die Beratung insgesamt abgeschlossen war. Die Kündigung des Beratungsvertrages entbindet daher den Mandanten nicht von der Vergütungspflicht (OLG Düsseldorf v. 27. 02. 1997 – 13 U 8/96, GI 1998, 170). Der Gebührenanspruch entsteht somit schon mit dem Beginn der Arbeit für die abzurechnende Angelegenheit (OLG Düsseldorf v. 27. 02. 1997 – 17 U 23/96, GI 1997, 252; OLG Düsseldorf v. 28. 05. 2002 – 23 U 193/01, GI 2002, 219; LG Duisburg v. 04. 08. 2000 – 10 O 57/98, GI 2001, 254). Allerdings ist innerhalb des Rahmensatzes gebührenermäßigend zu berücksichtigen, dass der Vorgang nicht mehr zu Ende geführt werden musste. Dasselbe gilt, wenn der Auftrag vor Erledigung der Angelegenheit endet.
Rz. 17
Kündigt der Mandant grundlos oder kündigt der StB wegen vertragswidrigem Verhalten des Mandanten oder aus sonstigem wichtigen Grund, ist dies im Regelfallnach den Regeln über einen Beratungsvertrag, der Vertrauen zwischen den Beteiligten voraussetzt, fristlos möglich (§ 627 Abs. 1 BGB). Wie ein StB nicht verpflichtet ist, einen Auftrag anzunehmen, kann er diesen genauso wie sein Mandant grundsätzlich jederzeit kündigen (BGH v. 02. 05. 2019 – IX ZR 11/18, Stbg 2019, 378 m. Anm. Beyme). Eine wirksame Abänderung (Verlängerung) der Kündigungsfrist ist vertraglich nur unter engen Voraussetzungen möglich und allenfalls für wenige Monate wirksam (BGH v. 11. 02. 2010 – IX ZR 114/09, DStR 2010, 716; Beyme, Stbg 2021, 460). Der StB hat aber bei Kündigung des Auftrages zur Vermeidung von Rechtsverlusten des Auftraggebers in jedem Fall noch diejenigen Handlungen vorzunehmen, die zumutbar sind und keinen Aufschub dulden (§ 14 BOStB).
Rz. 18
Bereits entstandene Gebühren können dabei in voller Höhe geltend gemacht werden (§ 12 Abs. 4). Dies scheint auf den ersten Blick der Regelung des § 628 Abs. 1 BGB zu widersprechen, wonach bei einer Kündigung nur ein den bisherigen Leistungen entsprechender Teil der Vergütung verlangt werden kann. Die Anwendbarkeit des § 628 Abs. 1 BGB wird durch die StBVV aber nicht ausgeschlossen, zumal die StBVV regelmäßig nur die Höhe und nicht den Rechtsgrund des Honoraranspruchs betrifft. Deshalb ist bei der Festsetzung der angemessenen Gebühr im Rahmen der vorgegebenen Spanne zu berücksichtigen, dass bis zu diesem Zeitpunkt nur ein (evtl. geringer) Teil der insgesamt anfallenden Arbeiten erledigt wurde. Die Regelung in § 12 Abs. 4 stellt sich somit als klarstellende Ergänzung zu § 628 Abs. 1 BGB dar.
Rz. 18a
Bei Angelegenheiten, die mit der Zeitgebühr abzurechnen sind, lässt sich dies unmittelbar einhalten, da einfach die bis zur Kündigung aufgewandte Zeit berechnet wird. Schwieriger kann es bei Rahmengebühren sein, da StB, die bereits irgendeine Tätigkeit vorgenommen haben, die Gebühr in grundsätzlich voller Höhe zusteht (Rz. 5). Beim Rahmensatz ist der geringere Zeitaufwand als Kriterium des "Umfangs" i. S. v. § 11 durch Wahl eines geringeren (ggf. des geringsten) Zehntelsatzes zu berücksichtigen.
Auch bei Aufstellung eines Jahresabschlusses (§ 35 Abs. 1 Nr. 1a), bei dem zum Zeitpunkt der Kündigung erst mit den Abschlussarbeiten begonnen wurde, kommt § 12 Abs. 4 zur Anwendung. In der Praxis hat sich hierbei etabliert, den Grad der Fertigstellung anzugeben und nach diesem abzurechnen. Ist der Jahresabschluss zum Zeitpunkt der Kündigung beispielsweise zu 30 % fertiggestellt, wird die ohne Kündigung zu erwartende volle Gebühr berechnet und davon 30 % in Ansatz gebracht.
Rz. 18b
Bei einer wirksamen Gebührenvereinbarung gem. § 4 ist das Honorar angemessen entsprechend den bereits erbrachten (Teil-)Leistungen herabzusetzen (OLG Düsseldorf v. 16. 06. 1994 – 13 U 177/93, GI 1995, 80). Ein gem. § 14 vereinbartes Pauschalhonorar ist gem. § 628 Abs. 1 BGB auf den Teil herabzusetzen, welcher der bisherigen Tätigkeit des StB entspricht (BGH v. 22. 05. 2014 – IX ZR 147/12, DStRE 2014, 1213).
Rz. 19
Kann der StB ein vertragswidriges Verhalten des Auftraggebers geltend machen, kann er über die entstandenen Gebühren hinaus auch Anspruch auf Ersatz von Schäden haben (§ 280 BGB); demgegenüber kann aber auch der Anspruch auf die bereits entstandenen Gebühren verwirkt sein, falls der Mandant zu Recht wegen vertragswidrigem Verhalten des StB kündigt. Dies gilt, soweit die bisherigen Leistungen für den Mandanten wegen der Kündigung nicht mehr von Interesse sind. Darüber hinaus kann eine Schadensersatzpflicht des StB dann bestehen, wenn dieser zur "Unzeit" kündigt (§ 627 Abs. 2 BGB). Eine Kündigung zur Unzeit liegt vor, wenn für den gekündigten (Ex-)Mandanten nicht mehr ausreichend Zeit besteht, um sich die gekündigten Dienste anderweitig zu beschaffen. Wo genau die...