Leitsatz

1. Es stellt keinen Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO dar, wenn auf die Ausübung eines bei Grundstücksübertragung eingeräumten unentgeltlichen Wohnungsrechts verzichtet und stattdessen zwischen Übertragendem und neuem Grundstückseigentümer ein Mietvertrag geschlossen wird; der Fortbestand des dinglichen Wohnungsrechts allein hindert die Wirksamkeit des Mietvertrags nicht (Fortentwicklung des BFH-Urteils vom 27.7.1999, IX R 64/96, BStBl 1999 II, 826).

2. Auf die Unentgeltlichkeit des Wohnungsrechts kann konkludent durch den Abschluss des Mietvertrags verzichtet werden.

 

Normenkette

§ 9 EStG , § 21 EStG , § 42 AO

 

Sachverhalt

Die Eltern des Klägers und deren Schwägerin übertrugen ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück als Miteigentum zu je ½ auf den Kläger und seine Ehefrau. Die Vertragsparteien vereinbarten u.a. ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht (als beschränkt persönliche Dienstbarkeit) sowie ein Betreuungs- und Pflegerecht (als Reallast) zugunsten der Eltern; beides wurde zusammengefasst als Altenteilsrecht im Grundbuch eingetragen. Im Dezember 1994 verzichteten die Eltern auf das unentgeltliche Wohnungsrecht. Sodann schlossen sie mit dem Kläger und seiner Ehefrau einen Mietvertrag über die von ihnen genutzte Wohnung.

Bei der Einkommensteuerveranlagung ließ das FA den erklärten Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt, da das Mietverhältnis wegen des noch bestehenden dinglichen Nutzungsrechts nicht anzuerkennen sei. Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG statt. Dagegen richtet sich die Revision des FA.

 

Entscheidung

Der BFH hat einen Gestaltungsmissbrauch verneint, weil die Vereinbarung über den Wegfall der Unentgeltlichkeit des Nutzungsrechts und die gleichzeitige Vereinbarung eines Mietvertrags lediglich eine Lage hergestellt haben, die die Vertragspartner bereits bei Eigentumsübertragung – unter sofortiger Vereinbarung eines entgeltlichen Nutzungsverhältnisses – hätten schaffen können.

 

Hinweis

1. Kein Gestaltungsmissbrauch liegt vor, wenn ein Objekt vor seiner Vermietung vom Mieter auf den Vermieter übertragen wurde und zugunsten des Mieters ein Wohnungsrecht vorbehalten wurde (BFH, Urteil vom 10.12.2003, IX R 12/01, BFH/PR 2004, 217 in diesem Heft). Die spätere Aufgabe eines solchen Wohnungsrechts oder – wie im Streitfall – einer (schuldrechtlichen) Vereinbarung über dessen Unentgeltlichkeit kann die steuerrechtliche Wirksamkeit eines fremdüblich vereinbarten und tatsächlich durchgeführten Mietvertrags ebenfalls nicht hindern.

Sie stellen nämlich eine materiell-rechtliche Lage her, die bereits bei Eigentumsübergang rechtskonform hätte hergestellt werden können. Denn die vorbehaltlose Schenkung eines Grundstücks mit anschließender (Rück-)Anmietung durch den Schenker ist nach der ständigen BFH-Rechtsprechung nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Gestaltungsmissbrauch kann mithin nur in Betracht kommen, wenn der Vermieter den (Nutzungs-)Berechtigten im Zusammenhang mit der Aufgabe (der Unentgeltlichkeit) des Nutzungsrechts durch ein Entgelt so stellt, als ob dieser unverändert sein Nutzungsrecht – unentgeltlich – ausüben würde (vgl. BFH, Urteil vom 17.12.2003, IX R 56/03, BFH-PR 2004, 223 in diesem Heft).

2. Anders als für die Aufgabe eines dinglichen Rechts ist für die schuldrechtlich regelbare und im Streitfall vereinbarte Unentgeltlichkeit eines durch beschränkt persönliche Dienstbarkeit eingeräumten dinglichen Wohnungsrechts keine formelle vertragliche Vereinbarung, deren Eintragung sowie die Löschung des Rechts, sondern lediglich eine – auch konkludent durch Abschluss eines Mietvertrags mögliche – Aufhebung erforderlich. Auf den Fortbestand des dinglichen Rechts kommt es dabei nicht an, weil das Wohnungsrecht einem Mietvertrag über die wohnrechtsbelastete Wohnung nicht entgegensteht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.12.2003, IX R 60/98

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