Leitsatz
1. Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ist ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen. Kapital- und Personengesellschaften sind hierbei gleichermaßen als transparent zu betrachten.
2. Eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse an einer im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum unmittelbar an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligt gebliebenen Kapital- oder Personengesellschaft lässt diese nur dann fiktiv zu einer neuen Gesellschafterin werden, wenn sich in diesem Zeitraum deren Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar, d.h. auf den weiteren Beteiligungsebenen, im wirtschaftlichen Ergebnis vollständig geändert hat.
Normenkette
§ 1 Abs. 2a, § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine grundstücksbesitzende GmbH & Co. KG. Alleingesellschafterin der mit 6 % an ihrem Gesellschaftsvermögen beteiligten persönlich haftenden Gesellschafterin (A-GmbH) ist eine weitere GmbH (C-GmbH), deren alleinige Gesellschafterin zunächst die I-AG war. Die I-AG veräußerte zum 1.1.2005 die Hälfte ihrer Beteiligung an der C-GmbH an die K, eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Den restlichen Anteil an der C-GmbH übertrug die I-AG am 31.3.2006 auf eine 100 %ige Tochtergesellschaft (I-GmbH). Die einzige Kommanditistin der Klägerin, die G-AG, übertrug ihre Beteiligung an der Klägerin am 16.3.2006 auf die H-GmbH.
Das FA stellte mit Bescheid vom 3.9.2008 gegenüber der Klägerin fest, dass bei ihr am 31.3.2006 ein Gesellschafterwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG stattgefunden habe. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG wies die Klage ab (FG Düsseldorf, Urteil vom 3.2.2010, 7 K 1410/09 GE, Haufe-Index 2349905, EFG 2010, 1240).
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Der BFH hat aus den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands verneint.
Hinweis
Der Steuertatbestand des § Satz 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG unterwirft unter näheren Voraussetzungen sowohl "unmittelbare" als auch "mittelbare" Änderungen im Gesellschafterbestand der GrESt. Der BFH hat nunmehr die Anforderungen an die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands neu bestimmt und den Anwendungsbereich dieses Merkmals erheblich eingeschränkt.
1. Kaum problematisch sind die Anforderungen, die an eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands zu stellen sind. Hier gelten zivilrechtliche Grundsätze; wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen keine Rolle. Die unmittelbare Änderung ist gegeben, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht.
2. Ungleich komplexer liegen die Dinge bei einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG. Eine derartige Änderung vollzieht sich auf der Ebene derjenigen Personen- oder Kapitalgesellschaft, die ihrerseits unmittelbar an einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG beteiligt ist. Der Normgehalt einer mittelbaren Änderung lässt sich nicht mit zivilrechtlichen Kategorien erfassen. Zivilrechtlich gibt es keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestandes. Eine Auslegungshilfe bieten auch §§ 5 und 6 GrEStG nicht, weil diese Regelungen lediglich Steuerbefreiungen aussprechen und ohnehin nur Personengesellschaften betreffen. Daraus folgt: Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands kann nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgelegt werden.
Angesichts des kargen Wortlauts des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG führt eine solche wirtschaftliche Auslegung notwendig zu Problemen unter dem Blickwinkel der Gesetzesklarheit und -bestimmtheit. Insbesondere lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen, ob sich die Anteilsquote von 95 % nur auf den Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Personengesellschaft selbst bezieht oder ob diese Quote auch für die Beteiligungsverhältnisse derjenigen Personen- oder Kapitalgesellschaft gilt, die unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist. Zu dieser Problematik hat die Finanzverwaltung bislang eine nach Personen- und Kapitalgesellschaften differenzierende Sicht vertreten.
3. Der BFH hat nunmehr einen klaren "Schnitt" vollzogen und den Norminhalt der mittelbaren Änderung durch einschränkende Auslegung des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG in zwei Richtungen präzisiert: Zum einen sind Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen über alle Beteiligungsebenen als transparent zu behandeln und damit Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse auf allen Beteiligungsebenen in die Betrachtung einzubeziehen. Zum anderen ist der Tatbestand der mittelbaren Änderung i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG unter Zugrundelegung des jetzigen Wortlauts der Vorschrift nur erfüllt, wenn sich im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum der Gesellschafterbestand einer an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft unverändert beteiligt gebliebenen Kapital- oder Personengesellschaft unmittelbar ode...