Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
1. Die Befugnis, den Abzug in einem Jahr nicht ausgenutzter Grundförderbeträge nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG innerhalb des Abzugszeitraums nachzuholen, hängt nicht davon ab, dass der Steuerpflichtige im Jahr der Nachholung noch zur Inanspruchnahme eines Abzugsbetrags berechtigt ist.
2. Stand dem Steuerpflichtigen in einem Jahr des Abzugszeitraums nur deshalb ein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG für die von ihm angeschaffte zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung zu, weil seine Ehefrau noch keine Förderung für ein Objekt beansprucht hatte, kann er den Abzug des in diesem Jahr nicht ausgenutzten Grundförderbetrags auch in einem Jahr des Abzugszeitraums nachholen, in dem wegen der Trennung der Eheleute die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG nicht mehr vorliegen und der Steuerpflichtige deshalb keinen Anspruch auf die Förderung eines zweiten Objekts mehr hat.
Normenkette
§ 10e EStG
Sachverhalt
Nachdem der Kläger für ein Objekt die Förderung nach § 7b EStG in Anspruch genommen hatte, erwarb er im Jahr 1993 eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung, ohne dafür bei der Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau die Grundförderung nach § 10e EStG geltend zu machen. Nach Trennung der Eheleute führte das FA für den Kläger im Streitjahr 1994 eine Einzelveranlagung durch und lehnte die vom Kläger beantragte Nachholung der Grundförderung für das Vorjahr wegen der bereits erfolgten Abschreibung für ein anderes Objekt nach § 7b EStG und den Wegfall der Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung ab. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH kann weder aus dem Wortlaut des § 10e Abs. 3 Satz 1 EStG noch aus dem Zweck der Nachholungsregelung hergeleitet werden, der Steuerpflichtige dürfe den Abzug der Grundförderbeträge nur nachholen, wenn er auch im Jahr der Nachholung noch alle Voraussetzungen für deren Inanspruchnahme erfüllt. Denn nach ihrem Zweck soll die Vorschrift nicht nur die Verteilung der abziehbaren Beträge im Interesse einer möglichst hohen Steuerentlastung unter Berücksichtigung des progressiven Tarifs ermöglichen. Vielmehr soll sie auch dazu dienen, einen in früheren Jahren entstandenen, aber steuerlich nicht ausgenutzten Abzugsbetrag auf ein späteres Jahr des Abzugszeitraums zu übertragen, selbst wenn in diesem Jahr die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Wohneigentumsförderung nicht mehr gegeben sind.
Für diese Auslegung spricht auch § 10e Abs. 5a EStG; danach kommt es im Jahr der Nachholung nicht auf die Einhaltung der Einkunftsgrenzen i.S.d. § 10e EStG an.
Entgegen der Auffassung des FA bestand auch die erforderliche Identität zwischen dem abzugsberechtigten Steuerpflichtigen im Jahr 1993 und dem nachholenden Steuerpflichtigen im Streitjahr 1994. Denn auch bei Ehegatten ist derjenige abzugsberechtigt, der in seiner Person die Abzugsvoraussetzungen des § 10e EStG erfüllt. Das ist bei Alleineigentum nur der Eigentümer-Ehegatte, bei gemeinschaftlichem Eigentum jeder Ehegatte nach Maßgabe seines Miteigentumsanteils (vgl. BFH, Urteil vom 15.11.1995, X R 59/95, BStBl II 1996, 356). Dies gilt gleichermaßen bei Zusammenveranlagung mit der Besonderheit, dass die Eheleute – unabhängig von den Eigentumsverhältnissen – Anspruch auf die Förderung für insgesamt zwei volle Objekte haben, selbst wenn – wie im Streitfall – beide Objekte im Alleineigentum nur eines Ehegatten stehen.
Hinweis
Die Entscheidung schützt das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Nachholbarkeit des Steuerabzugs nach § 10e EStG und insbesondere die steuerliche Dispositionsfähigkeit über denjenigen Veranlagungszeitraum, in dem der Abzug steuerlich optimal vorgenommen werden kann. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10e EStG müssen danach lediglich im Jahr des Aufwands, nicht aber im Nachholungsjahr gegeben sein. Ein in diesem Jahr vorliegender Objektverbrauch ist somit unschädlich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.11.2000, X R 13/99