Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung entfallen, können ab dem Veranlagungszeitraum 2009 nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Der Werbungskostenabzug ist gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 ausgeschlossen.
2. § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG 2009 steht dem nicht entgegen.
Normenkette
§§ 20 Abs. 9, 17, 32d, 52a EStG 2009
Sachverhalt
Der Kläger veräußerte einen GmbH-Anteil mit Verlust. Zudem verzichtete er u.a. auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens, welches er bei einer Bank refinanziert hatte. Aufgrund des BFH-Urteils vom 16.3.2010, VIII R 36/07, BFH/NV 2010, 15 erkannte das FA die auf die Finanzierung des Gesellschafterdarlehens entfallenden Schuldzinsen zwar für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2008 als nachträgliche Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Für das Streitjahr 2009 versagte das FA indes den geltend gemachten Werbungskostenabzug.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2012, 2 K 3893/11 E, Haufe-Index 3744343, EFG 2013, 926). Nach § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG 2009 sei das Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden. D. h. entscheidend sei allein, in welchem Jahr Kapitaleinnahmen zufließen bzw. zufließen könnten; auf das Jahr des Abflusses von damit zusammenhängenden Aufwendungen komme es nicht an. Im Streitfall habe der Kläger seine Beteiligung bereits 2001 veräußert, die von ihm geltend gemachten Schuldzinsen ständen daher nicht im Zusammenhang mit Kapitalerträgen, die nach dem 31.12.2008 zufließen.
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob er BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. § 20 Abs. 9 EStG schließe ab 2009 den Werbungskostenabzug bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich aus. § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG 2009 stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Wegen der Einzelheiten kann auf die Praxis-Hinweise verwiesen werden.
Hinweis
Die ersten Fälle zur Systemumstellung der Besteuerung von Kapitaleinkünften erreichen den BFH. Hier ging es um die Reichweite des Abzugsverbots für Werbungskosten nach § 20 Abs. 9 EStG n.F. für die Fälle, in denen der Einkünftetatbestand vor 2009, also noch unter der Geltung des alten Besteuerungsregimes, verwirklicht worden ist, die Werbungskosten aber erst danach (2009 oder später) angefallen sind.
1. Mit der Einführung einer Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge hat der Gesetzgeber ein umfassendes Abzugsverbot für Werbungskosten angeordnet: Nach § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG können Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 grundsätzlich nicht mehr abgezogen werden. Abziehbar ist lediglich ein Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 EUR, für Eheleute doppelt so viel.
a) Das Abzugsverbot für Werbungskosten, das für Kapitaleinkünfte unter dem Regime der Abgeltungsteuer gilt, hat der BFH als verfassungsgemäß beurteilt. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Nettoprinzip vor.
b) Das hat zur Folge, dass die neue Rechtsprechungslinie zu nachträglichen Werbungskosten aus Kapitalvermögen ab 2009 gesetzlich gekappt ist.
aa) Allerdings hatte der BFH seine bisherige Rechtsprechung zum Abzug von Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Kapitalanlage geändert. Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, können danach wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht werden.
bb) Ab 2009 sind wir aber in einer anderen Welt: Schuldzinsen, die nach der Veräußerung oder der Aufgabe einer wesentlichen Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG anfallen, sind ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gem. § 20 Abs. 9 EStG grundsätzlich nicht mehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar.
2. Auf den ersten Blick könnte jedoch § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG 2009 eine andere Beurteilung gebieten. Danach ist § 20 Abs. 9 EStG erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anwendbar. Was gilt, wenn – wie im Streitfall – im Jahr 2009 nur nachträgliche Werbungskosten anfallen, aber keine Erträge zufließen? Die flüchtige Lektüre der Vorschrift kann insoweit in die Irre führen.
Zu Fallkonstellationen, in denen nach dem 31.12.2008 – wie auch im Streitfall – keine Kapitalerträge zufließen, trifft die Regelung ihrem Wortlaut nach keine Aussage. Für diese Konstellationen gilt folglich die gesetzliche Grundregelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG, die für Kapitaleinkünfte den Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ab 2009 (§ 52a Abs. 2 EStG 2009) ausschließt.
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