Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz von zurzeit 7 % nach § 12 Abs. 2 UStG für Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. Satz 3 sieht vor: Für Leistungen, die i.R. eines Zweckbetriebs gem. §§ 66 bis 68 AO ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn
- der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Leistungen anderer Unternehmer, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegen, ausgeführt werden, oder
- wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht.
In Satz 3 wurden nach den Wörtern "im Rahmen eines" die Wörter "in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten" eingefügt.
Aus der neu eingefügten Verweisung auf die §§ 66 bis 68 AO ergibt sich, dass bei Zweckbetrieben i.S.v. § 65 AO keine Wettbewerbsprüfung (mehr) vorzunehmen ist. Die Änderung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a Satz 3 UStG erfolgt vor dem Hintergrund des BFH-Urteils v. 26.8.2021 – V R 5/19, UStB 2022, 8 [Rothenberger] = DB 2022, 506. Der BFH hat dort entschieden, dass die Wettbewerbsklausel des § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a Satz 3 UStG nach dem derzeitigen Gesetzeswortlaut auch auf Zweckbetriebe i.S.d. § 65 AO anzuwenden sei. Ein gegenteiliger Wille des Gesetzgebers habe keinen Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden. In der Praxis führte die BFH-Rspr. dazu, dass Leistungen von Zweckbetrieben nach § 65 AO regelmäßig dem regulären Steuersatz unterliegen. Denn Sachverhalte, bei denen Zweckbetriebe nicht zu herkömmlichen Unternehmen in Wettbewerb treten, seien kaum denkbar, vgl. RegE, BR-Drucks. 433/23, 230 v. 8.9.2023.
Beraterhinweis Die Finanzverwaltung wendete dieses BFH-Urteil nicht an. Es bleibt zu hoffen, dass sich aufgrund der Gesetzesänderung die Diskussion um die Zweckbetriebseigenschaft etwas entschärft. Die grundlegende Unsicherheit, dass bei einer falschen Anwendung des ermäßigten Steuersatzes erhebliche Umsatzsteuernachzahlungen drohen, ist sicherlich nicht beseitigt.
Zudem wurde Satz 4 hinzugefügt, wonach Körperschaften mit ihren in den §§ 66 bis 68 der AO bezeichneten Zweckbetrieben ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklichen, wenn die Leistungsempfänger oder an der Leistungserbringung beteiligten Personen vom steuerbegünstigten Zweck der Einrichtung erfasst werden. Klargestellt wird durch diese Ergänzung, dass an der Leistungserbringung auch die vom satzungsmäßigen Zweck Begünstigten selbst mitwirken dürfen, wie es bspw. in Inklusionsbetrieben der Fall ist. Hintergrund war hier ein Urteil des BFH v. 23.7.2019 – XI R 2/17, UStB 2020, 2 [Sterzinger] = DStR 2019, 2476, in dem er die Steuerbegünstigung verneint hatte für den Gastronomiebetrieb mit öffentlicher Toilette eines gemeinnützigen Vereins des Wohlfahrtswesens, und zwar selbst unter der Prämisse, dass die Leistungen gerade der Verwirklichung des satzungsmäßigen Zwecks dienen. Der BFH hatte hierzu darauf abgestellt, dass Gastronomie und öffentliche Toilette vorrangig den Besuchern dienten, die gerade nicht vom gemeinnützigen Zweck des Vereins erfasst waren. Die Finanzverwaltung stand dem kritisch gegenüber und wendete das Urteil nicht an.
Zwischenzeitlich wurde anhand der Erwägungsgründe der Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates v. 5.4.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze (ABl. (EU) L107/1 v. 6.4.2022) verdeutlicht, dass die Anwendung der Steuerermäßigung nicht bloß vom jeweiligen Leistungsempfänger abhängt. Vielmehr fordert der Richtliniengeber auf europäischer Ebene eine Gesamtschau in Bezug auf die allgemeine Tätigkeit und die Ziele der Einrichtung, vgl. BR-Drucks. 433/23, 231.
Beraterhinweis Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Europarechtskonformität der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG zweifelhaft ist, da sie einen weiten Anwendungsbereich eröffnet. Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 15 MwStSystRL schränkt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ein auf Leistungen von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen durch in Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit. Da die deutsche Regelung diese Einschränkungen nicht enthält, droht Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren.
Neben den Zweckbetrieben betrifft die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG auch die Vermögensverwaltung, wenn keine Steuerbefreiungsvorschrift nach § 4 UStG einschlägig ist. Ein möglicher Verstoß gegen europäisches Recht – weil das deutsche Recht die Einschränkungen gem. Anhang III Nr. 15 zur MwStSystRL nicht beachtet – wäre also auch für die Vermögensverwaltungen relevant.
Beachten Sie: Der ermäßigte Steuersatz auf Umsätze von Zweckbetrieben kann nicht nur durch eine Betriebsprüfung in Frage gestellt werden, aufgrund des...