Wie schon der ATE 1983 sind auch im ATE 2022 Fälle benannt, in denen die Begünstigungen nicht anzuwenden sind (ATE 2022 Rz. 11). Dabei verzichtet der ATE 2022 auf die aus historischen Gründen überholte – im ATE 1983 aber noch enthaltene – Nichtanwendung bei der Beschäftigung in der DDR oder Berlin (Ost).
Für VZ ab 2023 ist der ATE nicht anzuwenden, soweit
- der Arbeitslohn unmittelbar oder mittelbar aus inländischen öffentlichen Kassen – einschließlich der Kassen des Bundeseisenbahnvermögens und der Deutschen Bundesbank – gezahlt wird (ATE 2022 Rz. 11 Nr. 1; s. dazu nachfolgend unter a); oder
- die Tätigkeit in einem DBA-Staat ausgeübt wird und in das DBA Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einbezogen sind; ist ein DBA für die Zeit vor seinem Inkrafttreten anzuwenden, verbleibt es bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bei den vorstehenden Regelungen, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind (ATE 2022 Rz. 11 Nr. 2); oder
- der Steuerpflichtige nicht nachweist, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn abzgl. der damit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden WK) in dem Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, einer der deutschen ESt entsprechenden Steuer in einer durchschnittlichen Höhe von mindestens 10 % unterliegen, und dass die auf die Einkünfte festgesetzte Steuer entrichtet wurde (Mindestbesteuerung); zur Ermittlung der durchschnittlichen Steuerbelastung sind die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Tätigkeitsstaat nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln (ATE 2022 Rz. 11 Nr. 3).
"Soweit" statt "wenn": Neu ist, dass die Ausnahmen von Begünstigungen auch nach der Verwaltungsvorschrift einnahmen-/tätigkeitsbezogen gelten ("soweit" statt zuvor "wenn"; s. ATE 2022 Rz. 11).
a) Zahlung aus einer inländischen öffentlichen Kasse
Soweit nach ATE 2022 Rz. 11 Nr. 1 wie bisher der ATE 1983 auf Arbeitslohn unmittelbar oder mittelbar aus inländischen öffentlichen Kassen – inkl. der Kassen des Bundeseisenbahnvermögens (zuvor: Deutsche Bundesbahn) und der Deutschen Bundesbank – keine Anwendung findet, ist hinsichtlich des Merkmals der "Zahlung aus einer inländischen öffentlichen Kasse" für VZ ab 2023 ausdrücklich auf das schon zuvor geltende BMF-Schreiben v. 13.11.2019 Bezug genommen (ATE 2022 Rz. 11 Nr. 1, 2. Halbs.), das für VZ bis einschließlich 2022 auf den ATE 1983 verweist.
b) Mindestbesteuerung
Neu ist auch der in Rz. 11 Nr. 3 des ATE 2022 vorgesehene Nachweis der Mindestbesteuerung. Rz. 15 des ATE 2022 enthält ein Beispiel zur Mindestbesteuerung.
Beispiel
Der Angestellte eines international tätigen Unternehmens im Bereich des Anlagenbaus erhält für seinen 10-monatigen Einsatz zur Inbetriebnahme einer Fabrik im Staat S (kein DBA mit Deutschland) ein Gehalt i.H.v. 110.000 EUR. Die nach dem EStG ermittelten, im Zusammenhang mit der begünstigten Tätigkeit zusammenhängenden WK betragen 10.000 EUR. Seinen Wohnsitz in Deutschland behält er bei. Auf das Gehalt zahlt er in S ausweislich des von ihm vorgelegten Steuerbescheides eine der deutschen ESt entsprechende Steuer i.H.v. umgerechnet 9.000 EUR.
Lösung: Bezogen auf die Einkünfte von 100.000 EUR ergibt sich ein durchschnittlicher Steuersatz von 9 %. Da dieser unter 10 % liegt, findet die Steuerbefreiung hier keine Anwendung. Beachten Sie: Der Arbeitgeber hat im LSt-Abzugsverfahren die Voraussetzungen des ATE 2022 wie bisher lediglich glaubhaft zu machen (ATE 2022 Rz. 17, s. auch die näheren Ausführungen unter 11.).
Rechtsfolge bei fehlendem Nachweis der Mindestbesteuerung: Greifen die Begünstigungen durch den ATE 2022 mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Mindestbesteuerung nicht, darf die im Ausland gezahlte Steuer unter den Voraussetzungen des § 34c EStG auf die deutsche ESt angerechnet oder bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden (ATE 2022 Rz. 15).
c) Keine Anwendung bei beschränkter Steuerpflicht
Aufgrund der Begünstigung ausschließlich von Tätigkeiten im Ausland nach Rz. 2 des ATE 2022 und wegen der Nichtanwendung des ATE auf Arbeitslohn aus inländischen öffentlichen Kassen greift § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG tatbestandlich nicht ein, weshalb der ATE – wie für VZ ab 2023 ausdrücklich klargestellt wird – für Fälle der beschränkten Steuerpflicht keinen Anwendungsbereich hat (ATE 2022 Rz. 12).
d) Kofinanzierte Projekte
Wie bereits ausgeführt ist der ATE auf Zahlungen, die aus einer inländischen öffentlichen Kasse gewährt werden, grds. nicht anwendbar. Ausnahmsweise gilt teilweise etwas anderes, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines durch andere Träger bzw. weitere Institutionen, die keine inländische öffentliche Kasse sind (z.B. Institutionen der EU), kofinanzierten Projekts ausgeübt wird. Bei derartigen Mischfinanzierungen sind die Zahlungen aufzuteilen (ATE 2022 Rz. 13). Das gilt bei unmittelbaren wie bei mittelbaren Zahlungen aus inländischen öffentlichen Kassen gleichermaßen; insoweit...