Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Das Besteuerungsrecht ist ggf. zwischen Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers und Tätigkeitsstaat tageweise aufzuteilen.
Schwierige Fragen treten insbesondere bei der Anwendung der dem Art. 15 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden Vorschriften des konkret anzuwendenden DBA auf.
I. d. R. ist in den DBA die Zeitspanne nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA der Anwesenheit im Tätigkeitsstaat, die nicht überschritten werden darf, mit 183 Tagen gleich definiert. Die Berechnung kann jedoch stark variieren. So kann es sich um Tätigkeits- oder um Aufenthaltstage handeln. Werden Aufenthaltstage zugrunde gelegt, werden Krankheits-, Feier- und Urlaubstage mitgezählt, die der Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat verbringt. Nicht gezählt werden Tage, bei denen der Arbeitnehmer arbeitstäglich in den Ansässigkeitsstaat zurückkehrt ("Grenzgänger"). Der Zeitraum von 183 Tagen kann sich auf einen laufenden 12-Monats-Zeitraum, das Kj. oder das Steuerjahr beziehen. Bei Abstellen auf das Steuerjahr können Schwierigkeiten entstehen, wenn dieses nicht dem Kj. entspricht. Um insoweit Doppelbesteuerungen oder Doppelfreistellungen zu vermeiden, legt die Bundesrepublik als Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers für die Anwendung der 183-Tage-Regelung das Steuerjahr des Tätigkeitsstaates zugrunde.
Bei der "Ansässigkeit des Arbeitgebers" (vgl. "Ansässigkeit") nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA kann darauf abgestellt werden, ob der Arbeitgeber im gleichen Staat wie der Arbeitnehmer oder in irgendeinem anderen Staat als dem Tätigkeitsstaat ansässig ist. Ist Arbeitgeber eine Personengesellschaft, die transparent besteuert wird, kommt es für die Ansässigkeit auf den Ort der Geschäftsleitung an, auch wenn eine transparente Personengesellschaft nicht "ansässig" im strengen Sinn sein kann. Eine Betriebsstätte kann nicht "Arbeitgeber" sein, vielmehr gilt dann Art. 15 Abs. 2 Buchst. c OECD-MA. Für den Begriff des Arbeitgebers ist der "wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff" maßgebend; vgl. "Arbeitgeber (inländischer, ausländischer)".
Bei der Frage nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. c OECD-MA, ob eine Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat die Vergütung getragen hat, kommt es nicht darauf an, ob die Vergütung tatsächlich der Betriebsstätte zugeordnet worden ist, sondern ob die Aufwendungen der Betriebsstätte nach rechtlichen Kriterien zuzuordnen waren. Ob eine Betriebsstätte vorliegt, richtet sich nach Art. 5 OECD-MA, nicht nach § 12 AO. Daher kann auch ein ständiger Vertreter eine Betriebsstätte für den Auftraggeber begründen.
Besteht danach innerhalb eines Jahres ein Besteuerungsrecht sowohl der Bundesrepublik als auch des ausl. Staates, sind die Lohnbestandteile in erster Linie direkt den jeweiligen Arbeitstagen zuzuordnen. Dies sind z. B. Reisekosten, Überstundenvergütungen, Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie Auslandszulagen. Nicht direkt zurechenbare Lohnbestandteile sind nach der Zahl der Arbeitstage im Jahr zuzuordnen. Dies betrifft z. B. den laufenden Lohn, Tantiemen, auf Urlaubstage und Krankheitstage entfallender Lohn sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld.