Entscheidungsstichwort (Thema)
Erinnerung gegen Kostenfestsetzung
Leitsatz (redaktionell)
- Im finanzgerichtlichen Verfahren ist die Verfahrensgebühr einheitlich mit dem Satz von 1,6 anzusetzen.
- Nach VV Nr. 1008 erhöhte sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 0,3. Es handelt sich damit um eine Erhöhung, nicht um eine eigenständige Gebühr.
Normenkette
RVG § 13; VV Nrn. 3100, 3200, 1008
Tatbestand
Die Beteiligten haben im Hauptsacheverfahren darum gestritten, ob im Wege der Aussetzung der Vollziehung ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen war. Die Erstattung von Gebühren des Vorverfahrens (§ 139 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO) haben die Erinnerungsführer im vorliegenden Verfahren nicht beantragt. Im Hinblick auf den im Parallelverfahren (zunächst) gestellten Antrag weist das Gericht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung Gebühren des Vorverfahrens nicht erstattungsfähig sind.
Das Vorverfahren, auf das sich § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO bezieht, ist dasjenige des §§ 44 FGO, d.h. des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, das als Zulässigkeits-voraussetzung einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 40 FGO einem solchen Klageverfahren vorausgegangen ist. Das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 AO bzw. ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an die Finanzbehörde gemäß § 69 Abs. 2 FGO sind zwar in der Regel (nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO) Voraussetzung für die Zulässigkeit eines bei Gericht gestellten Antrages auf Aussetzung der Vollziehung, jedoch keine Vorverfahren im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. Gräber / Stapperfend, Kommentar zur FGO, 6. Aufl. 2006, Rdz. 111 zu § 139 FGO mit Rechtsprechungsnachweisen, BFH, Beschluss vom 1. August 1986, V B 79/84, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1988, S. 335 ff., Ziffer 7 der Gründe, Finanzgericht des Saarlandes, Beschluss vom 23. Mai 1990, 103/80, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1990, S. 589).
Entscheidungsgründe
1) Der Urkundsbeamte hat in dem Beschluss über die Festsetzung der zu erstattenden Kosten die Verfahrensgebühr nach § 13 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses (VV, Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) mit einem Satz von 1,3 (zuzüglich einer Erhöhung für eine weitere Person um 0,3) angesetzt. Hierzu hat er auf den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. April 2005 (6 KO 3/05, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2005, 1803) verwiesen.
Dieser Ansatz der Verfahrensgebühr ist zu korrigieren. Die Verfahrensgebühr ist auch im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung vor dem Finanzgericht nach Nr. 3200 VV (Abschnitt 2 des dritten Teils der VV) mit dem Satz von 1,6 anzusetzen und nicht nach Nr. 3100 VV (Abschnitt 1 des dritten Teils der VV) mit dem Satz von 1,3.
Nach der Vorbemerkung 3.1 Abs. 1 zu Abschnitt 1 des dritten Teils des VV entstehen die Gebühren dieses Abschnitts „in allen Verfahren, für die in den folgenden Abschnitten dieses Teils keine Gebühren bestimmt sind.” Nach Nr. 3100 VV (zu Abschnitt 1) ist die Verfahrensgebühr, soweit in Nr. 3102 nichts anderes bestimmt ist (betrifft Verfahren vor den Sozialgerichten), mit 1,3 anzusetzen.
Der folgende Abschnitt 2 des dritten Teils des VV bestimmt die Gebühren für „Berufung, Revision, bestimmte Beschwerden und Verfahren vor dem Finanzgericht” und bestimmt damit Gebühren für das finanzgerichtliche Verfahren abweichend von Abschnitt 1. Die Bestimmungen des 1. Abschnitts gelten deshalb nicht (unmittelbar) für Verfahren vor dem Finanzgericht. Nach Nr. 3200 VV (zu Abschnitt 2, Unterabschnitt 1) ist die Verfahrensgebühr, soweit in Nr. 3204 nichts anderes bestimmt ist (betrifft Verfahren vor den Landessozialgerichten), mit 1,6 anzusetzen.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 27. April 2005 (Aktenzeichen 6 KO 3/05 a.a.O.) auf die Regelung in der Vorbemerkung 3.2, Absatz 2 des zweiten Abschnitts des dritten Teils des VV bezogen; nach dieser Vorbemerkung seien in Verfahren über vorläufigen Rechtsschutz, in denen das Berufungsgericht das Gericht der Hauptsache ist, die Gebühren nach den Gebühren des Abschnitts 3.1 zu berechnen. Vorbemerkung 3.2.1 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG vollziehe lediglich den Schritt der gebührenrechtlichen Gleichstellung der Finanzgerichte mit den übrigen Obergerichten. Nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung sei jedoch nicht beabsichtigt, auch das Verfahren über vorläufigen Rechtsschutz im Verfahren vor dem Finanzgericht höher zu vergüten, als bei anderen Gerichten höherer Instanz. Entsprechend berechne sich daher die Gebühr für das Aussetzungsverfahren vor dem Finanzgericht gemäß Vorbemerkung 3.2 Abs. 2 VV nach den Gebühren des Abschnitts 3.1 VV.
Dieser Auffassung folgt das erkennende Gericht nicht. Für die entsprechende Anwendung des Abschnitts 3.1 des VV auf die Verfahrensgebühr im Aussetzungsverfahren fehlt es an einer Recht...