Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Antragsbefugnis der atypisch stillen Gesellschaft im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Leitsatz (redaktionell)
- Eine atypisch stille Gesellschaft kann aus den Mitteilungen der Finanzbehörden an die Wohnsitz-Finanzämter der atypisch stillen Gesellschafter eine eigene unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung nicht ableiten. Denn durch die Mitteilungen wird eine vorläufige Wertung über Einkünfte getroffen, über die im Hauptverfahren im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellungen der Einkünfte endgültig zu entscheiden ist. Betroffen sind daher nur die Beteiligten des Gewinnfeststellungsverfahrens.
- Für das einstweilige Anordnungsverfahren kann antragsbefugt nur derjenige sein, der in der Hautsache zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen den Gewinnfeststellungsbescheid berechtigt wäre.
- Da eine atypisch stille Gesellschaft selbst nicht Beteiligte des Feststellungsverfahrens ist, weil sich ein einheitlicher Feststellungsbescheid nicht gegen die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter und den Geschäftsinhaber richtet, kann sie auch nicht Beteiligte eines finanzgerichtlichen Verfahrens sein, das die einheitliche Feststellung der Einkünfte betrifft.
- Fehlt es der atypisch stillen Gesellschaft an der Beteiligtenfähigkeit, dann fehlt es nicht nur an der Befugnis der Gesellschaft, nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO für die Gesellschaft zu klagen, vielmehr fehlt es dann auch an der Antragsbefugnis.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1 S. 2; AO § 179 ff.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Unterlassung bzw. Korrektur von Mitteilungen des Antragsgegners an andere Finanzämter.
Die Antragstellerin ist ein als atypisch stille Gesellschaft ausgestaltetes Unternehmenssegment der S... AG (S-AG), die intern in acht Unternehmenssegmente eingeteilt und deren Unternehmensgegenstand vorwiegend die Gewährung von typischen und atypischen stillen Beteiligungen zwecks Kapitalbeschaffung ist.
Nach der Konzeption des Beteiligungsmodells wird den Anlegern nur im ersten Jahr der Beteiligung ein Verlust zugewiesen, in den Folgejahren werden den Gesellschaftern Gewinne in Aussicht gestellt. Die Beteiligung besteht mindestens über 12 bzw. 15 Jahre und kann, sofern nicht ein wichtiger Grund vorliegt, erstmals nach Ablauf der gewählten Beteiligungsdauer zum Ende des Geschäftsjahres gekündigt werden (§§ 2, 14 Atypisch stiller Gesellschaftsvertrag mit Einmaleinlage (EK 1 bzw. EK 7) und/oder Rateneinlage (EK 8 bzw. Atypisch stiller Gesellschaftsvertrag mit jährlichen und monatlichen Rateneinlagen (EK 37/38) - GV -). Die vorzeitige Kündigung ist erstmals nach vierjähriger Beteiligungsdauer möglich (§ 16 GV).
Die Beteiligung kann durch Einmaleinlage, Rateneinlage oder eine Kombination aus beidem erfolgen. Für die Beteiligung gibt es in den Folgejahren im Wesentlichen - in verschiedenen Varianten - zwei Möglichkeiten. Die atypisch stillen Gesellschafter können in den Folgejahren jeweils erneut weitere, von der S-AG vermittelte, atypisch stille Beteiligungen erwerben oder ihre Beteiligung auf das Segment der Antragstellerin beschränken. Beim Erwerb neuer Beteiligungen bekommen sie Verluste, die in jedem Fall zu Beginn der Geschäftsaufnahme in den neuen Gesellschaften entstehen, in Höhe ihrer geleisteten Einlage zugewiesen.
Im Fall der von der S-AG bevorzugt angebotenen Beteiligungsform der Rateneinlage verbunden mit dem Erwerb weiterer Beteiligungen können die Anleger bei Erwerb der neuen Beteiligungen die Zahlung der ausstehenden Einlage auf diese neu geschaffenen Beteiligungen erbringen. In diesem Fall werden den Anlegern die ausstehenden Raten auf die vertraglich vereinbarte Beteiligungssumme an der Beteiligung der Antragstellerin erlassen (§ 6 GV). Die Anleger können ebenfalls (fakultativ) eine jährliche Entnahme in Höhe von 7,5 % ihrer Einlage beanspruchen, die je nach der Art des gewählten Vertrages entweder ausgezahlt oder durch Einlage in weitere neu gegründete (atypisch-) stille Gesellschaften wiederangelegt wird. Bei Rateneinlageverträgen ist die Entnahme grundsätzlich nur in Verbindung mit einer entsprechenden Wiederanlage möglich (§ 12 GV).
Die S-AG ist von den Anlegern zur Abgabe bzw. Durchführung aller Erklärungen und Maßnahmen, die im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen im Namen des stillen Gesellschafters gegenüber der Finanzverwaltung erforderlich sind, bevollmächtigt und beauftragt (§ 24 GV).
Die Antragstellerin hat noch keinen Empfangsbevollmächtigten benannt.
Die Anleger beantragten im Jahr 1999 im Hinblick auf die zu erwartende Verlustzuweisung die Eintragung eines entsprechenden Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte bzw. die Herabsetzung der Vorauszahlungen. Nach einer Vorprüfung anhand des Emissionsprospektes und der von der Antragstellerin vorgelegten Vertragsunterlagen vertrat der Antragsgegner die Ansicht, bei dem Anlagemodell handele es sich um den Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten und bei den in Rede stehenden Verlusten um so...