Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigung zum Vorsteuerabzug und Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO; Umsatzsteuer; Vorsteuerabzugsberechtigung; Vertrauensschutz; Aufhebung von Steuerbescheiden; Änderung von Steuerbescheiden
Leitsatz (redaktionell)
- Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setzt voraus, dass eine Steuer vom Leistenden aufgrund eines steuerpflichtigen Umsatzes und nicht nur wegen der gesonderten Inrechnungstellung geschuldet wird.
- Soweit Unternehmer über die von ihnen erbrachten Leistungen bereits per Abschlagsrechnungen abgerechnet haben, wird die Umsatzsteuer nicht aufgrund des erbrachten Umsatzes geschuldet, sondern gem. § 14 Abs. 2 UStG deshalb, weil der Steuerbetrag zu Unrecht gesondert ausgewiesen ist.
- § 15 Abs. 1 UStG ist richtlinienkonform auszulegen, d.h., die Auslegung muss sich am Wortlaut und Zweck der einschlägigen Richtlinienbestimmung orientieren und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH berücksichtigen.
- Der Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden gem. § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO setzt voraus, dass der früher entschiedene Sachverhalt im Wesentlichen genauso gelagert ist wie der der geänderten Rechtsprechung zugrunde liegende. Bloße und aus früheren Entscheidungen gezogene Schlussfolgerungen genießen keinen Vertrauensschutz.
Normenkette
UStG § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 1; AO § 176 Abs. 1 Nr. 3
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist Geschäftsführer der O. Bürosystem GmbH (GmbH). Zugleich ist er einer der Gesellschafter der GmbH. Im Jahr 1989 begann der Kläger mit der Errichtung eines Gebäudes, das er nach dessen Fertigstellung im Jahr 1990 anteilig an die GmbH steuerpflichtig vermietete und im Übrigen privat nutzte. Der Umfang der steuerpflichtigen Vermietung betrug in den Streitjahren 1990 und 1991 59,2 v.H.
Mit seinen Umsatzsteuererklärungen machte er die Vorsteuern aus den Leistungsbezügen anläßlich der Errichtung und Erhaltung des Gebäudes geltend soweit diese anteilig auf die steuerpflichtige Vermietung entfielen. Dabei machte der Kläger den vollen Vorsteuerbetrag auch aus Endrechnungen geltend, denen zuvor bereits Abschlagsrechnungen vorausgegangen waren, aus denen er ebenfalls die darin ausgewiesenen Steuer als Vorsteuer abgezogen hatte. Hier bei handelte es sich um Vorsteuern
für 1990
aus den Rechnungen H. vom 30. Dezember 1989, R. vom 7. März 1990 und L. vom 6. Juni 1990 über insgesamt 8.074,62 DM; davon waren bereits Vorsteuern in Höhe von 5.180,00 DM in Abschlagsrechnungen ausgewiesen und geltend gemacht,
für 1991
aus den Rechnungen H. und K. über insgesamt 8.329,75 DM; davon waren bereits Vorsteuern in Höhe von 4.970,00 DM in Abschlagsrechnungen ausgewiesen und geltend gemacht.
Im Streitjahr 1992 änderte sich gegenüber den Vorjahren der Umfang der steuerpflichtigen Nutzung des Gebäudes. In den Monaten Mai bis September vermietete der Kläger das Haus zu 100 v.H., in den Monaten Oktober bis Dezember zu 80 v.H. an die GmbH. Der Kläger machte deshalb weitere Vorsteuern aus einer Berichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG geltend. Diese ermittelte er, indem er die um 40,8 v.H. für die Monate Mai bis September und 20,8 v.H. für die Monate Oktober bis Dezember erhöhte steuerpflichtige Nutzung auf den Berichtigungszeitraum von 120 Monaten verteilte und den darauf entfallenden Anteil der gesamten Vorsteuern errechnete. Der Beklagte folgte dem im Ergebnis nicht und ließ für die Streitjahre 1990 und 1991 die anteilig auf die steuerpflichtige Vermietung entfallenden Vorsteuern nur soweit zum Abzug zu, wie sie noch nicht zuvor in Abschlagsrechnungen gesondert ausgewiesen und vom Kläger geltend gemacht worden waren. Auch die Vorsteuerberichtigung für das Streitjahr 1992 erkannte der Beklagte nur in dem Umfang an, in dem sie nicht auf doppelt erfaßte Vorsteuerbeträge zurückzuführen war.
Hiergegen richtet sich nach insoweit erfolglosem Vorverfahren die Klage. Der Kläger vertritt die Auffassung, er habe Anspruch auf den vollen Vorsteuerabzug sowohl aus den Abschlagsrechnungen als auch aus den Schlußrechnungen. In beiden Fällen seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG erfüllt. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ergebe sich auch aus dem umsatzsteuerrechtlichen Grundsatz Aufkommensneutralität, d.h. die Umsatzsteuerschuld des leistenden Unternehmers könne nicht höher sein als der Vorsteuererstattungsanspruch des Leistungsempfängers. Folgerichtig habe der Bundesfinanzhof (BFH) in mehreren Urteilen entschieden, dass gesondert ausgewiesene Steuern den Leistungsempfänger selbst dann zum Vorsteuerabzug berechtigten, wenn sie fehlerhaft zu hoch ausgewiesen sind. Die sich hieraus ergebende Gefährdung des Steueraufkommens werde über die Regelung des § 14 Abs. 2 UStG beseitigt, die den Rechnungsaussteller zur Zahlung des vollen ausgewiesenen Steuerbetrages verpflichte.
Einer Anwendung der inzwischen geänderten Rechtsprechung des BFH stehe der Ve...