Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen nur bei medizinischer Indikation
Leitsatz (redaktionell)
- Zu steuerfreien Umsätzen von Ärzten nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG.
- Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin umfassen nur Tätigkeiten, die zum Zwecke der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen beim Menschen vorgenommen werden.
- Für die Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen reicht es nicht aus, dass die Operation nur von einem Arzt ausgeführt wird.
- Erforderlich ist, dass die Schönheitsoperation dem Schutz der menschlichen Gesundheit dient, d. h. medizinisch indiziert ist. Fehlt die medizinische Indikation, ist die USt-Freiheit der Schönheitsoperation nicht gegeben.
Normenkette
UStG 1999 § 4 Nr. 14; EWGRL 388/77 Art. 13
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob die Umsätze der Klägerin gem. § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei sind.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, dessen Gegenstand nach § 2 des Gesellschaftsvertrags vom 30. Juni 1998 die Durchführung kosmetischer Eingriffe und Operationen ist. Die Umsätze der Klägerin betrugen im Streitjahr 2003 ausweislich ihrer Einnahme-Überschussrechnung X €.
Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Umsätze umsatzsteuerfrei seien und gab deshalb keine Umsatzsteuererklärungen ab.
In der Zeit vom 14. Dezember 2004 bis zum 22. September 2005 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte sich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BFH vom 15. Juli 2004, BStBl. II 2004, 862 auf den Standpunkt, dass Umsätze aus ästhetisch-plastischen Operationen, die nicht medizinisch indiziert seien und deren Kosten von den Sozialversicherungsträgern nicht übernommen würden, nicht umsatzsteuerfrei seien. Derartige Umsätze erziele die Klägerin; eine medizinische Indikation sei nicht nachgewiesen worden. Deshalb seien die Umsatzerlöse - unter Herausrechnung der Umsatzsteuer - steuerpflichtig. Vorsteuern könnten berücksichtigt werden, soweit ordnungsgemäße Eingangsrechnungen vorliegen würden.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2005 setze der Beklagte, das Finanzamt (FA), die Umsatzsteuer entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung fest. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als die Klägerin weitere Vorsteuern belegte.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihre Umsätze nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei seien und hat hierzu ein von ihr in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten vorgelegt. Umsätze aus der Tätigkeit eines Arztes im Sinne dieser Norm seien alle Leistungen nach der Bundesärzteordnung. Dieser Begriffsdefinition würden auch die Leistungen eines ästhetisch-plastischen Chirurgen unterfallen, wovon auch die Gebührenordnungen der Ärzte ausgehe. Von diesem einheitlichen Verständnis des Begriffs der einheitlichen Leistung seien seinerzeit ferner der Gesetzgeber und auch die Finanzverwaltung in den Umsatzsteuerrichtlinien ausgegangen. Eine Aufspaltung des Begriffs der ärztlichen Leistung für Zwecke der Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG in medizinisch indizierte und medizinisch nicht indizierte Leistungen sei dem Gesetz und der früheren Verwaltungspraxis fremd.
Auch aus Art. 13 A Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ergebe sich kein anderes Verständnis der medizinischen Heilbehandlung. Soweit sich die nationale Rechtsprechung für eine andere Rechtsauslegung auf den EuGH berufe, sei dem entgegenzuhalten, dass der EuGH bislang keine Entscheidung zu plastischer Chirurgie getroffen habe. Der EuGH stelle vielmehr auf den Begriff der „Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin” ab. Eine unterschiedliche Besteuerung der Umsätze der Ärzte würde gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen.
Die Rechtsauffassung des BFH führe auch zu strukturellen Vollzugsdefiziten. Es sei kaum möglich, eine klare Abgrenzung der medizinisch indizierten von nicht medizinisch indizierten Umsätzen zu treffen. Der behandelnde Arzt werde so gezwungen, seine Schweigepflicht zu verletzen. Das Ergebnis der Besteuerung hänge von vom Arzt nicht erzwingbarer Mitwirkungspflichten der Patienten ab. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse sei kein brauchbares Indiz, da es eine sehr unterschiedliche Kostenübernahmepraxis der einzelnen Krankenkassen gebe. Richtig sei es hingegen, die Frage der medizinischen Indikation durch den behandelnden Arzt selbst beantworten zu lassen. Es könne nicht Aufgabe der Finanzverwaltung oder der Finanzgerichte sein, die Beurteilung des behandelnden Arztes über die medizinische Indikation in Frage zu stellen.
Die Klägerin verweist außerdem auf die Verwaltungspraxis in den Niederlanden und Österreich, nach der es zu einer faktischen Nichtbesteuerung der streitgegenständlichen Leistungen in diesen Ländern komme. Daher läge ein Verstoß gegen den gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
Im Übrigen seien sämtli...