Entscheidungsstichwort (Thema)
Stellung eines Antrags nach § 32c EStG nur bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides
Leitsatz (redaktionell)
Ein erstmaliger Antrag auf Tarifermäßigung nach § 32c EStG kann nur bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides für das letzte Jahr des Betrachtungszeitraums gestellt werden.
Normenkette
EStG § 32c; AO §§ 110, 126 Abs. 3 S. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 Nr. 2, § 89 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist die Möglichkeit der Änderung eines Einkommensteuerbescheides zwecks Gewährung der Tarifermäßigung nach § 32c Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Kläger sind verheiratet. Sie wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte wie bereits in den vorangegangenen Jahren Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Diese Einkünfte ermittelte er nach § 4 Abs. 1 EStG mit einem vom 1. Juli bis 30. Juni laufenden abweichenden Wirtschaftsjahr.
Der Einkommensteuerbescheid für 2019 vom 25. Juni 2021 erging erklärungsgemäß. In dem Bescheid wurde Einkommensteuer i.H.v. 0 EUR festgesetzt.
Am 10. August 2021 ging beim Beklagten die bereits von den Klägern am 4. Mai 2021 unterzeichnete Anlage 32c ein, in welcher sie die Tarifermäßigung nach § 32c EStG beantragten. Der Anlage war eine Berechnung über einen Steuerermäßigungsbetrag i. H. v. 5.500 EUR beigefügt.
Der Beklagte lehnte die Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2019 mit Bescheid vom 16. August 2021 ab. Der Einkommensteuerbescheid sei bereits bestandskräftig und könne nicht mehr geändert werden. Er sei insbesondere nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen.
Gegen den Ablehnungsbescheid legten die Kläger am 15. September 2021 Einspruch ein. Der Einkommensteuerbescheid sei nicht wirksam bekannt gegeben worden, da in den Erläuterungen kein Hinweis enthalten sei, dass bisher kein Antrag auf Tarifglättung nach § 32c EStG gestellt worden sei.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Beklagte wies ihn mit Bescheid vom 3. Februar 2022 als unbegründet zurück. Die Tarifermäßigung nach § 32c EStG könne nur bei Vorliegen einer Änderungsmöglichkeit des Einkommensteuerbescheides gewährt werden. Mit § 32c EStG habe der Gesetzgeber keine Änderungsmöglichkeit für bereits bestandskräftig gewordene Steuerbescheide geschaffen. Im Streitfall sei der Einkommensteuerbescheid 2019 bestandskräftig und könne nicht mehr geändert werden.
Dass in den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid kein Hinweis auf einen bisher nicht gestellten Antrag auf Tarifglättung enthalten sei, führe weder zu einer Unwirksamkeit des Bescheides noch sei deswegen Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zu gewähren. Zum Verständnis des streitigen Einkommensteuerbescheides sei kein Hinweis auf einen bislang fehlenden Antrag nach § 32c EStG erforderlich gewesen. Zwar solle die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen nach § 89 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) angeregt werden, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben seien. Es müsse aber offensichtlich sein, dass ein Antrag nur versehentlich unterblieben sei. Bei einem unterbliebenen Antrag nach § 32c EStG sei dies jedoch nicht offensichtlich. Die Inanspruchnahme der Tarifermäßigung sei an die in § 32c EStG genannten Voraussetzungen geknüpft. Ob diese gegeben seien oder aus welchen Gründen der Antrag bewusst nicht gestellt worden sei, sei für die Finanzbehörde anhand der eingereichten Steuererklärung nicht offensichtlich. Da die Einkommensteuererklärung 2019 von steuerlichen Beratern erstellt worden sei, habe keine Verpflichtung bestanden, auf einen fehlenden Antrag zur Tarifermäßigung nach § 32c EStG hinzuweisen. Dem deutschen Steuerberaterverband sei vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) bereits mit Schreiben vom 14. Mai 2020 mitgeteilt worden, dass die Regelungen zur Tarifermäßigung seit dem 30. Januar 2020 in Kraft seien und Anträge auf Tarifermäßigung gestellt werden könnten. Die Kläger hätten ausreichend Zeit gehabt, die Tarifermäßigung zu beantragen. Zwar haben Steuererklärungen für 2016 und 2019 bis zum 30. April 2021 unter einem maschinellen Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO festgesetzt werden sollen. Im Streitfall sei der Einkommensteuerbescheid jedoch erst am 25. Juni 2021 ergangen. Ein maschineller Vorbehalt der Nachprüfung sei daher darin nicht mehr aufzunehmen gewesen. Auch das BMF-Schreiben zur Tarifermäßigung vom 18. September 2020 habe zum Zeitpunkt der Steuerveranlagung für das Streitjahr bereits vorgelegen. Dies hätte den steuerlichen Beratern der Kläger bekannt sein müssen.
Auch aus Billigkeitsgründen könne eine Änderung der Steuerfestsetzung gem. § 163 AO nicht erfolgen. Hierfür sprechende individuelle Umstände des Einzelfalls hätten die Kläger nicht vorgetragen.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger weiter die Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2019 und die Berücksichtigung einer Tarifermäßigung nach § 32c EStG.
Die Tarifermäßigung nach § 32c EStG werde auf Antrag gewährt. Das Verfah...