vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [X R 20/24)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens
Leitsatz (redaktionell)
- Hat das Finanzgericht wirksam eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gesetzt, kann die Ausschlussfrist nicht allein durch die fristgerechte Einreichung einer Steuererklärung beim Finanzamt gewahrt werden (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH, Beschlüsse vom 26. Januar 1995 V B 63/94, BFH/NV 1995, 896; und vom 25. Juli 2023 VIII B 31/22, BFH/NV 2023, 1215).
- Auch für Schätzungsfälle, in denen der Gegenstand des Klagebegehrens durch Einreichung der Steuererklärung bezeichnet werden soll, ergibt sich aus der fehlenden Möglichkeit, Steuererklärungen an das Finanzgericht elektronisch zu übermitteln, keine abweichende rechtliche Beurteilung.
- Das Finanzgericht ist nach wirksamer Setzung der Ausschlussfrist - auch nach § 71 Abs. 2 FGO - nicht verpflichtet, den Inhalt weiterer, bis zum Ablauf der Ausschlussfrist allein zur Steuerakte, nicht aber zur Gerichtsakte gelangter Vorgänge zu berücksichtigen.
- Durfte der Kläger mit einer im gewöhnlichen Geschäftsgang rechtzeitigen Weiterleitung seiner beim Finanzamt nachgereichten Steuererklärung an das Finanzgericht rechnen, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin den Gegenstand des Klagebegehrens innerhalb der Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichnet hat, und ob – für den Fall der Versäumung der Ausschlussfrist – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann.
Die Klägerin erzielte in den Streitjahren 2018 bis 2020 Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Pension, Einkünfte aus der Vermietung einer Eigentumswohnung sowie Rentenbezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Beklagte veranlagte die Klägerin mit Bescheiden vom…März 2023 zur Einkommensteuer 2018 und zur Umsatzsteuer 2018 bis 2020. Dabei setzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege an, weil die Klägerin keine Steuererklärungen abgegeben hatte.
Der Beklagte schätzte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2018 in Höhe von XX € und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von XX €. Für Zwecke der Umsatzsteuerveranlagung schätzte der Beklagte die Umsätze zum Regelsteuersatz mit XX € für 2018, mit XX € für 2019 und mit XX € für 2020, die Umsätze zum ermäßigten Steuersatz mit XX € für 2018, mit XX € für 2019 und mit XX € für 2020 sowie die unentgeltlichen Wertabgaben für Lieferungen und sonstige Leistungen mit XX € für 2018, mit XX € für 2019 und mit XX € für 2020.
Gegen die vorgenannten Bescheide über Einkommensteuer 2018 und Umsatzsteuer 2018 bis 2020 legte die Klägerin (…) auf elektronischem Wege Einsprüche ein.
Der Beklagte forderte die Klägerin (…) auf, ihre Einsprüche zu begründen und die Steuererklärungen für die Streitjahre vorzulegen.
Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom…September 2023 als unbegründet zurück, weil die Klägerin auch im Einspruchsverfahren die Erklärungen zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer nicht abgegeben hatte.
Mit Schriftsatz vom…Oktober 2023, eingegangen am selben Tag beim Gericht, erhob die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2018 sowie die Umsatzsteuerbescheide 2018 bis 2020, jeweils vom…März 2023, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom…September 2023 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Besteuerungsgrundlagen auf der Grundlage der von der Klägerin übermittelten Steuerklärungen angesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Berichterstatter hat der Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2024 eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens bis zum 26. Februar 2024 gesetzt. Das Schreiben ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 27. Januar 2024 per Zustellungsurkunde zugegangen.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Erklärungen zur Einkommensteuer 2018, zur Umsatzsteuer 2018, 2019 und 2020, die Bilanzen zum 31. Dezember 2018 und zum 31. Dezember 2019 sowie die – nicht streitgegenständlichen – Erklärungen zur Gewerbesteuer 2018 und 2019 innerhalb der Ausschlussfrist am 26. Februar 2024 elektronisch beim Beklagten eingereicht. Eine korrigierte Erklärung zur Umsatzsteuer 2020, die Bilanz zum 31. Dezember 2020 sowie die – nicht streitgegenständlichen – Erklärungen zur Einkommensteuer 2019 und 2020 und zur Gewerbesteuer 2020 hat die Prozessbevollmächtigte am 27. Februar 2024 beim Beklagten eingereicht. Im Einzelnen gingen die Steuererklärungen zu folgenden Zeiten beim Beklagten ein:
Steuererklärung |
Tag/Uhrzeit |
Steuererklärung |
Tag/Uhrzeit |
Einkommensteuer 2018 |
26.02., 19:00 |
Gewerbesteuer 2018 |
26.02., 18:42 |
Einkommensteuer 2019 |
27.02., 12:54 |
Gewerbesteuer 2019 |
26.02., 23:05 |
Einkommensteuer 2020 |
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