Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlaß von Aussetzungszinsen zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe 1971 bis 1973 und Stabilitätszuschlag 1973
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aussetzungszinsen zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe 1971 bis 1973 und zum Stabilitätszuschlag 1973 zu erlassen sind.
Die Klägerin betrieb in der Rechtsform einer GmbH eine Maschinenfabrik.
In der Zeit von Juli 1975 bis März 1976 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung … bei der Klägerin eine Betriebsprüfung u.a. für die Kalenderjahre 1971 bis 1973 durch. Unter Zugrundelegung der bei der Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen (vgl. Bp-Bericht vom 20.04.1976) erließ das beklagte Finanzamt (FA) am 16. Mai 1979 und 3. August 1979 entsprechende Änderungsbescheide für Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe 1971 bis 1973 und Stabilitätszuschlag 1973. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Diese gewährte das FA antragsgemäß ab Fälligkeit. Das FA wies die Einsprüche, mit Bescheid vom 11. März 1982 zurück. Nachdem die Klägerin gegen die Bescheide Klage vor dem Niedersächsischen Finanzgericht erhoben hatte, setzte das FA die streitigen Steuerbeträge weiterhin ab Fälligkeit aus. Die Klage wurde mit Urteil vom 29.06.1987 abgeschlossen; sie hatte teilweise Erfolg. Die von der Klägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluß vom 30. März 1988 zurück. Daraufhin hob das FA die gewährte Aussetzung der Vollziehung der unstreitigen Steuerforderungen zur Körperschaftsteuer mit Bescheid vom 9. Juni 1988 und zur Ergänzungsabgabe sowie Stabilitätszuschlag mit Bescheid vom 18. Oktober 1988 auf.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1988 setzte das FA Aussetzungszinsen zur Körperschaftsteuer für die Zeit vom 21. August 1987 bis 8. Mai 1988 mit 35.956 DM fest.
Des weiteren berechnete das FA Aussetzungszinsen zur Körperschaftsteuer für die Zeit vom 6. September 1979 (Körperschaftsteuer 1971) bzw. vom 18. Juni 1979 bis zum 15. April 1982 in Höhe von 255.181 DM und für die Zeit vom 16. April 1982 bis zum 5. August 1987 mit 526.207 DM sowie zur Ergänzungsabgabe 1971 bis 1973 in Höhe von 24.728 DM und zum Stabilitätszuschlag 1973 mit 16.281 DM und setzte die Beträge mit Bescheiden vom 14. November 1988 fest.
Gegen diese Zinsbescheide legte die Klägerin zunächst Einspruch ein. Diesen behandelte das FA. soweit er sich gegen die Zulässigkeit der Zinsbescheide richtete als Einspruch (dazu siehe Klageverfahren VI 905/90), im übrigen als Antrag auf Verzicht der gesamten Aussetzungszinsen. Den Antrag auf Zinsverzicht lehnte das FA mit Bescheid vom 20. Januar 1989 ab. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 1989 Beschwerde ein. Zur Begründung berief sie sich darauf, daß die Erhebung der Aussetzungszinsen aufgrund des überlangen Vorverfahrens gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Menschenrechtskonvention – MRK –) verstieße. Denn die überlange Dauer des Vorverfahrens hätten das FA und die Gerichte zu vertreten. Zunächst hätte das FA erst drei Jahre nach Abschluß der Betriebsprüfung die geänderten Steuerbescheide erlassen und dann nochmals ca. drei Jahre für die Entscheidung über den eingelegten Einspruch benötigt, was bereits als überlange Verfahrensdauer anzusehen sei. Bis zum ersten Erörterungstermin im Klageverfahren im Jahre 1985 seien wiederum drei Jahre vergangen. Auch nach diesem Termin hätte das FA das Verfahren unnötig verzögert, indem es nicht auf den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich eingegangen sei, obwohl dieser in etwa dem später ergangenen Urteil entsprochen hätte. Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdebescheid vom 3. August 1990 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Unter Bezugnahme auf das Vorbringen im Rechtsbehelfsverfahren trägt die Klägerin zur weiteren Begründung vor:
Die Entscheidung des FA sei ermessensfehlerhaft, weil sowohl sachliche als auch persönliche Billigkeitsgründe vorlägen.
Der Erlaß der Aussetzungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen sei wegen überlanger Dauer des Verfahrens, durch welche die Aussetzungszinsen entstanden seien, gerechtfertigt, weil das FA diese zu vertreten habe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe mit Urteil vom 28.06.1978 die Anwendnung des Art. 6 Abs. 1 MRK und die Entschädigungspflicht der Bundesrepublik bejaht, weil ein Verwaltungsgerichtsverfahren länger als 10 Jahre gedauert habe. Art. 6 Abs. 1 MRK finde also danach auch im öffentlichen Recht Anwendung.
Die vorliegend überlange Verfahrensdauer von über 12 Jahren habe das FA zu vertreten. Schon die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens von ca. sechs Jahren sei überlang. Regelmäßig sei die Dauer solcher Verfahren kürzer. Besondere Anhaltspunkte, die die vo...