Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalverkehrsfreiheit: Rückwirkende Hinzurechnung von Dividenden aus Auslandsbeteiligungen nach § 8 Nr. 5 GewStG 1999 rechtswidrig?
Leitsatz (redaktionell)
- Zur Anwendbarkeit von § 8b Abs. 8 KStG.
- Da das (alte) InvStG Fonds gegenüber dem Anteilsinhaber als transparent wertet, finden die Grundsätze des § 8b Abs. 8 KStG auch für entsprechende durch einen Fonds gehaltene Anteile Anwendung.
- Die durch § 36 Abs. 4 GewStG i.d.F. des UntStFG rückwirkend ab dem 1.1.2001 angeordnete Hinzurechnung von Gewinnanteilen bei Auslandsbeteiligungen nach § 8 Nr. 5 GewStG 1999 i.d.F. des UntStFG verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Die Regelung findet keine Anwendung.
- Das gilt auch für die Hinzurechnung derjenigen Gewinnanteile aus Auslandsbeteiligungen, die über Wertpapiersondervermögen bezogen werden.
Normenkette
AEOV Art. 36; GewStG 1999 § 36 Abs. 4, § 7 S. 1, § 8 Nr. 5; KStG 1999 § 8b Abs. 1, 8; KAGG § 39 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 2, § 38b Abs. 5
Streitjahr(e)
2001
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob gemäß § 8b Abs. 1 KStG i.V.m. § 7 Satz 1 Gewerbesteuergesetz steuerfreie Dividenden aus Direktbeteiligungen mit weniger als 10 % am Stamm- bzw. Grundkapital an im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaften sowie gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 KAGG i.V.m. § 40 Abs. 2 KAGG i.V.m. § 38b Abs. 5 KAGG i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG i.V.m. § 7 Satz 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) steuerfreie Ausschüttungen aus Beteiligungen an Wertpapier-Sondervermögen, soweit sie auf Dividendeneinnahmen des Wertpapier-Sondervermögens aus Beteiligungen mit weniger als 10 % am Stamm- bzw. Grundkapital an im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaften entfallen, nach § 8 Nr. 5 GewStG i.V.m. § 36 Abs. 4 GewStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20.12.2001, Bundesgesetzblatt I 2001, 3858 im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzuzurechnen sind, oder ob § 8 Nr. 5 GewStG aufgrund eines Verstoßes gegen die gemeinschaftsrechtlich geschützte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) keine Anwendung zu finden hat (so der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 6. März 2013 I R 14/07, BStBl II 2015, 349).
Ferner ist die Klägerin der Auffassung, dass die Anwendungsvorschrift des § 36 Abs. 4 GewStG auch insoweit verfassungswidrig ist, als die diese § 8 Nr. 5 GewStG auf direkt bezogene Dividenden aus Auslandsbeteiligungen sowie (mittelbar) über Wertpapier-Sondervermögen bezogene Dividenden aus Auslandsbeteiligungen für anwendbar erklärt, soweit diese von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12. Dezember 2001 verbindlich beschlossen wurden und der mit weniger als 10 % beteiligten Gesellschaft bzw. dem mit weniger als 10 % beteiligten Wertpapier-Sondervermögen vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind. Die Klägerin nimmt diesbezüglich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2012 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302 Bezug. Mit diesem Beschluss hat das BVerfG § 36 Abs. 4 GewStG wegen eines Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes für nichtig erklärt hat, soweit diese Anwendungsvorschrift § 8 Nr. 5 GewStG auf Dividendenvorabausschüttungen für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12. Dezember 2001 verbindlich beschlossen wurden und der mit weniger als 10 % an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, dessen Gegenstand im Betrieb der Lebensversicherung besteht. Im Streitjahr 2001 war die Klägerin an mehreren ausländischen Kapitalgesellschaften unmittelbar beteiligt, wobei die Beteiligungsquoten jeweils weniger als 10 % des Grund- bzw. Stammkapitals betrugen. Aus diesen Anteilen erzielte die Klägerin in 2001 Dividenden i.H.v. EUR). Diese flossen der Klägerin im Wesentlichen vor dem 12. Dezember 2001 zu. Lediglich für eine Ausschüttung der H Holdings i.H.v. EUR; (Betrag vor Anwendung des sog. Blockwahlrechts) war Zuflusszeitpunkt der 12. Dezember 2001. Nach dem 12. Dezember 2001 sind der Klägerin im Erhebungszeitraum 2001 keine Dividenden mehr zugeflossen. Eine Aufstellung der Dividenden, die die Klägerin im Erhebungszeitraum 2001 von ausländischen Kapitalgesellschaften direkt bezogen hat, ergibt sich aus der dem Schriftsatz der Klägervertreter vom 27. Mai 2016 (Bl. 48 f.) beigefügten Anlage 1 (Bl. 62 FG-Akte).
Darüber hinaus war die Klägerin im Veranlagungszeitraum 2001 an verschiedenen Wertpapier-Sondervermögen (= Investmentfonds) beteiligt, von denen sie ebenfalls Ausschüttungen erhielt. In diesen Ausschüttungen der Fonds waren auch Dividenden ausländischer Kapitalgesellschaften, an denen die Wertpapier-Sondervermögen zu weniger als 10 % beteiligt waren, enthalten (nachfolgend auch „Streubesitzdividenden” genannt). Die Ausschüttungen im Einzelnen ergeben sich aus der Anlage 2 (Bl. 63 F...