Entscheidungsstichwort (Thema)
Eine im Ausland rechtsfähige Familienstiftung kann der Ersatzerbschaftsteuerpflicht unterliegen. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 30/22)
Leitsatz (redaktionell)
Hat eine im Ausland rechtsfähige Familienstiftung ihre Geschäftsleitung im Inland, so unterliegt sie der Erbschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte gegenüber der Klägerin zu Recht Ersatzerbschaftsteuer festgesetzt hat.
Die Klägerin ist eine in der Schweiz gegründete Stiftung. Sie wurde 1959 durch notarielle Urkunde errichtet. Aus der notariellen Urkunde ergibt sich, dass die Stiftung als Familienstiftung im Sinne des schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) errichtet werden sollte. Ihr Zweck ist die Bestreitung von Kosten der Erziehung, Ausstattung, Unterstützung oder ähnlicher Bedürfnisse der in Art. 5 der Satzung bezeichneten Abkömmlinge der Stifterin (Art. 2 der Satzung). Sitz der Stiftung ist in der Schweiz.
Die Klägerin wird gem. Art. 7 der Satzung durch die Mitglieder des Stiftungsrates vertreten. Sämtliche Mitglieder des Stiftungsrates seit Gründung der Klägerin waren in Deutschland ansässig und haben aus Deutschland heraus gehandelt. Zunächst wurde das Vermögen aufgrund eines Gestionsvertrages mit einer Schweizer Treuhandgesellschaft von dieser auf Weisung des Stiftungsrates verwaltet. Noch weit vor dem Besteuerungszeitpunkt übernahm der Stiftungsrat die Verwaltung selbst. Auch die Konten der Klägerin werden in Deutschland geführt. In der Schweiz existiert seitdem nur noch ein Zustellbevollmächtigter.
Das Stiftungskapital betrug anfänglich 6.000 DM. Weiteres Vermögen erhielt die Stiftung als Erbin der Stifterin. Das aktuell seitens der Finanzverwaltung der Klägerin zugeordnete Vermögen besteht überwiegend aus Grundbesitz im Gesamtwert von ca. 7,5 Millionen EUR. Es handelt sich um einst durch die DDR enteignetes und später restituiertes Vermögen.
Zwischen den Abkömmlingen der Stifterin kam es zum Streit. In dessen Verlauf klagte im Jahr 1997 eine Tochter der Stifterin vor dem Kantonsgericht auf Feststellung der Nichtigkeit der Stiftung. Mit Entscheidung vom 23. März 2000 entschied das Kantonsgericht, dass die Stiftung ex tunc für nichtig erklärt werde. Das Urteil erwuchs nicht in Rechtskraft, da sich die Beteiligten des Verfahrens in der Berufungsinstanz außergerichtlich einigten und die Klägerin die Klage zurückzog. In der Folge verzichtete die klagende Tochter der Stifterin auf ihre Destinatärsstellung.
Die Klägerin teilte dem Beklagten mit Schriftsatz vom 20. April 2020 mit, dass nach ihrer Ansicht keine Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG bestehe. Dennoch teilte sie dem Beklagten vorsorglich die gem. § 30 ErbStG für ersatzerbschaftsteuerpflichtige Familienstiftungen vorgesehenen Angaben mit. Auf diesen Schriftsatz wird Bezug genommen (Blatt 1 ff. der Steuerakte).
Der Beklagte teilte der Klägerin mit, dass er sie als rechtsfähige Stiftung i.S.d. Erbschaftsteuergesetzes ansehe und forderte sie zur Abgabe einer Steuererklärung für die Ersatzerbschaftsteuer auf. Dem kam die Klägerin nach.
Der Beklagte setzte gegenüber der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 22. März 2021 Ersatzerbschaftsteuer i. H. v. 1.286.148 Euro fest. Den Grundbesitz setzte er dabei zunächst mit geschätzten Werten an. Der Bescheid erging „für X-Stiftung, (…), Schweiz”. Er wurde dem in Deutschland ansässigen steuerlichen Berater der Stiftung bekanntgegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 21. April 2021 Sprungklage gem. § 45 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 3. Mai 2021 zugestellt. Er stimmte der Sprungklage mit einem am 2. Juni 2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz zu.
Die Heranziehung zur Ersatzerbschaftsteuer sei zu Unrecht erfolgt. Ausschließlich rechtsfähige Stiftungen unterlägen der Ersatzerbschaftsteuerpflicht. Die Klägerin sei jedoch nicht rechtsfähig.
Maßgeblich sei grundsätzlich das deutsche Zivilrecht. Dies gelte auch für den Stiftungsbegriff des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dieser beziehe sich auf rechtsfähige Stiftungen im Sinne der §§ 80 ff. BGB. Die Klägerin könne als nicht rechtsfähige Stiftung nicht der Ersatzerbschaftsteuerpflicht unterliegen. Die Annahme, dass sich die Beurteilung der Rechtsfähigkeit der Klägerin nicht nach deutschem, sondern nach dem Recht der Schweiz richte, widerspreche dem internationalen Privatrecht.
Die Klägerin sei aufgrund ihrer doppelansässigen Errichtung (statuarischer Sitz in der Schweiz, Verwaltungssitz in Deutschland) in Deutschland zivilrechtlich nicht existent. Ihr Vermögen sei in Wirklichkeit den Rechtsnachfolgern der Stifterin zuzuordnen.
Im deutschen Recht würden für die Qualifikation zuziehender ausländischer Stiftungen die Grundsätze des internationalen Gesellschaftsrechts entsprechend gelten. Nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht sei grundsätzlich die Sitztheorie anwendbar. Lediglich Gesellschaften, die in einem Mitgliedstaat d...