Die Bestellung eines Nießbrauchrechts ist nicht auf körperliche Gegenstände wie Immobilien beschränkt. In § 1068 Abs. 1 BGB ist die Möglichkeit der Nießbrauchbestellung an Rechten, insb. Forderungen und Wertpapieren, Aktien und Gesellschaftsanteilen, vorgesehen. Auf den Rechtsnießbrauch sind die Vorschriften des Sachnießbrauchs gem. § 1068 Abs. 2 BGB entsprechend anwendbar, soweit in den §§ 1069–1084 BGB keine Sonderregelungen enthalten sind. Der Sachnießbrauch berechtigt den Nießbraucher zur Nutzungsziehung gem. § 1030 Abs. 1 BGB. Ihm stehen die Früchte und Gebrauchsvorteile i.S.d. § 100 BGB zu, bspw. die Erträge aus der Vermietung einer Immobilie, d.h. er ist Inhaber der Mietzinsforderung (vgl. Volland, ZEV 2019, 254 [255]).
Beim hier im Fokus stehenden Nießbrauch an Wertpapieren stehen dem Nießbraucher als Früchte insb. Zinsen, Dividenden und Investmenterträge aus Investmentfonds zu (Servatius in BeckOGK/BGB, § 1068 Rz. 8 m.w.N. zu den einzelnen einbezogenen Rechten; Strauch, DStR 2024, 393 [393]). Zu beachten ist gleichwohl, dass der Nießbrauch lediglich an einzelnen Sachen und nicht an Sachgesamtheiten bestellt werden kann (Reischl in BeckOK/BGB, § 1030 Rz. 5). Dies folgt nicht zuletzt aus der Wertung des § 1085 Satz 1 BGB (vgl. Pohlmann in MünchKomm/BGB, § 1030 Rz. 106). Folgerichtig dürfte davon auszugehen sein, dass ein Nießbrauchrecht an jedem Wertpapier einzeln und nicht an einem gesamten Wertpapierdepot/Wertpapierportfolio zu bestellen ist (so auch Strauch, DStR 2024, 393 [393]).
Beraterhinweis Erfolgt die Bestellung eines Nießbrauchrechts gleichwohl pauschal an einer Sachgesamtheit, kommt eine Umdeutung nach § 140 BGB in die Bestellung von mehreren Einzelnießbrauchrechten in Betracht, soweit die einzelnen, zu der Gesamtheit gehörenden Sachen dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz entsprechend ausreichend bestimmt sind (Reischl in BeckO/BGB, § 1030 Rz. 5; Servatius in BeckOKG/BGB, § 1030 Rz. 51; a.A. insofern Böttcher, MittBayNot 1993, 129). Dies dürfte im Falle eines "abgrenzbaren" Wertpapierdepots zunächst regelmäßig gegeben sein.
Damit lässt sich ein Nießbrauch an Wertpapieren abbilden – solange keine Vermögensumschichtungen erfolgen. Faktisch dürfte der Verkauf des Wertpapieres den Nießbrauch nämlich vereiteln und bei Erwerb eines neuen Wertpapiers an diesem ein neuer Nießbrauch zu bestellen sein. Im Rahmen des schuldrechtlichen Schenkungsvertrags wäre stets die begleitende Abrede erforderlich, dass für den Fall des Verkaufs der Nießbrauch am Verkaufserlös als Surrogat fortbestehen soll, bzw. am Surrogat wiederum ein Nießbrauch zu bestellen ist. Der damit verbundene Aufwand ist nicht realistisch abbildbar und auch nicht steuerlich nachzuhalten (vgl. auch nachstehend unter 2.).
Weiter kann zwischen Vorbehalts- und Zuwendungsnießbrauch differenziert werden:
- Im Falle des Vorbehaltsnießbrauchs erfolgt regelmäßig die Übertragung des Eigentums an den Empfänger. Der ehemalige Eigentümer behält sich jedoch ein Nutzungsrecht an der Sache vor. Kurzgefasst: Das Nießbrauchrecht ermöglicht in diesem Fall die (weitere) Nutzung der Sache zugunsten des ehemaligen Eigentümers, wenngleich diese nunmehr im Eigentum eines anderen steht (vgl. Korn, DStR 1999, 1461 [1465]). Insoweit gilt für den Nießbrauchvorbehalt an Wertpapieren zunächst nichts anderes als bspw. im Zusammenhang mit Immobilien: Übertragen Eltern ihr Eigentum an einer vermieteten Immobilie, sei es entgeltlich oder unentgeltlich, unter Nießbrauchvorbehalt an ihr Kind, würde letzteres zwar Eigentümer der Immobilie werden, die Eltern behielten jedoch die Nutzungen, insb. die Mieteinnahmen, für sich. Das Wertpapier und dessen Erträge (Zinsen, Dividenden etc.) werden also unterschiedlichen Personen zugeordnet (vgl. Korn, DStR 1999, 1461 [1461]).
- Bei einem Zuwendungsnießbrauch bestellt der Eigentümer ein dingliches Recht, den Nießbrauch, zugunsten eines Dritten (vgl. Schur/Schur, ZEV 2020, 317 [317]). Die Eigentumsverhältnisse verändern sich insofern nicht; dem Nießbraucher wird in diesem Fall jedoch der Vorteil der Nutzung eingeräumt. Der unentgeltlich eingeräumte Zuwendungsnießbrauch richtet sich nach §§ 516 ff. BGB und löst insofern als Schenkung unter Lebenden die Schenkungsteuer gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aus (so auch Volland, ZEV 2019, 254 [256]).