Der Nießbrauchvorbehalt wirkt sich reduzierend auf die Schenkungsteuer bzw. genauer auf deren Bemessungsgrundlage aus (Schur/Schur, ZEV 2020, 317 [319]). Das führt zu einer geringeren Steuerlast für den Begünstigten.
Im Falle der Übertragung von Wertpapieren sind für die Ermittlung der Bereicherung des Beschenkten die Wertpapiere mit ihrem Börsenkurs anzusetzen, wobei der niedrigste Kurswert am Tag der Schenkung maßgebend ist, § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 BewG. Hiervon ist der Kapitalwert des Nießbrauchs als sog. Nutzungsauflage i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzuziehen. Der Wert des Nießbrauchs mindert mithin die steuerpflichtige Bereicherung des Erwerbers. Für die Ermittlung des Kapitalwerts des Nießbrauchrechts ist der Jahreswert der Nutzung mit einem Vervielfältiger, dessen Höhe vom Lebensalter des Nießbrauchers abhängt, zu multiplizieren (Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG, § 14 Rz. 5).
- Der Jahreswert des Nießbrauchs entspricht dem Wert der Nutzung über den Zeitraum eines Jahres. Ist der Betrag ungewiss oder unterliegt Schwankungen, ist als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird, vgl. § 15 Abs. 3 BewG.
- Bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsguts kann der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird (= 100 %/18,6 = ca. 5,3 %, vgl. § 16 BewG).
- Der Wert des Vervielfältigers, mit dem der Jahreswert zu multiplizieren ist, steht in Abhängigkeit zum Geschlecht und dem vollendeten Lebensalter des Nießbrauchberechtigten und ist einer Anlage zu § 14 Abs. 1 BewG des Bundesministeriums für Finanzen zu entnehmen (Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG, § 14 Rz. 5).
Beispiel
Wird ein Wertpapierdepot mit einem Wert von 850.000 EUR und einem Jahreswert von 45.500 EUR (d.h. ca. 5,3 % Zinsen/Dividenden pro Jahr) von einem 70-jährigen Vater an seine Tochter unter Nießbrauchvorbehalt übertragen, wäre der Jahreswert mit dem Faktor 9,924 (entspricht dem Lebensalter des Vaters) zu multiplizieren (vgl. Anlage zu § 14 Abs. 1 des BMF-Schreibens v. 1.12.2023 – IV D 4 - S 3104/19/10001 :009 – DOK 2023/1064807, ErbStB 2024, 42 [Günther]). Daraus ergäbe sich ein Betrag von 451.542 EUR. Dieser Betrag stellt den Kapitalwert des Nießbrauchs dar und wäre von dem Wert der Bereicherung, mithin 850.000 EUR, abzuziehen. Damit verbliebe ein Betrag von 398.458 EUR. Ausgehend von einem Steuerfreibetrag von 400.000 EUR zwischen Vater und Tochter würde nach diesem Modell keine Schenkungsteuer anfallen.
Beraterhinweis Bei Vermögensumschichtungen gelten die jeweiligen Bewertungsstichtage, an denen die Wertpapiere mit dem jeweiligen Börsenkurs anzusetzen sind. So können die Freibeträge aus § 16 Abs. 1 ErbStG schnell ausgeschöpft sein, da die Schenkungen der letzten zehn Jahre bekanntlich gem. § 14 Abs. 1 ErbStG zusammengerechnet werden und dann rückwirkend unter Berücksichtigung bereits getätigter Schenkungen nachträglich Schenkungssteuern anfallen können. Zusätzlich müsste bei jeder Vermögensumschichtung innerhalb von drei Monaten gem. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 und 2 ErbStG eine neue Schenkungsteueranzeige sowohl vom Beschenkten als auch vom Schenker abgegeben werden. Wird die Anzeige versäumt, drohen strafrechtliche Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 AO und Verspätungszuschläge gem. § 152 AO.