Leitsatz
1. Die Erben eines gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung notwendig beizuladenden ehemaligen Gesellschafters, der während des Revisionsverfahrens verstirbt, sind notwendig beizuladen.
2. Die Erben sind auch dann notwendig beizuladen, wenn der Rechtsstreit die Zeit bis zum Eintritt der Erbfolge betrifft, sie nach dem Erbfall aber nicht selbst Gesellschafter der klagenden Personengesellschaft werden.
3. Das Revisionsverfahren wird aufgrund des Todes eines notwendig Beizuladenden während des Verfahrens nicht unterbrochen.
Normenkette
§ 48 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, § 60 Abs. 3, § 155 FGO, § 239 Abs. 1 ZPO, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
An der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, waren im Streitjahr die GmbH sowie die Gesellschafter A (Komplementär) und B (Kommanditist) beteiligt. Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid erhob die Gesellschaft Klage. Nachdem die GmbH aus der Klägerin ausgeschieden war, lud das FG die GmbH notwendig bei und wies die Klage ab. Da die GmbH Mitunternehmerin gewesen sei, habe die Gesellschaft gewerbliche Einkünfte erzielt (FG Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2020, 9 K 2236/18 F, Haufe-Index 14295282).
Erst nach der Zustellung des FG-Urteils übertrug B seinen Anteil auf A und schied aus der Klägerin aus. Danach übertrug A seinen Anteil auf die Y-Familienstiftung und schied ebenfalls aus der Gesellschaft aus. A verstarb; seine Erben sind unbekannt.
Entscheidung
Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Das FG wird die erst im Revisionsverfahren notwendig gewordene Beiladung des B und der Erben des A nachholen und erneut in der Sache entscheiden müssen. Der BFH hat in seinen Hinweisen recht eindeutig darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des FG in der Sache Bestand haben dürfte, wonach die Gesellschaft im Streitjahr gewerbliche Einkünfte erzielt hat.
Hinweis
Im Besprechungsfall klärt der BFH weitere Einzelheiten zum Umfang der notwendigen Beiladung für den Fall, dass ein Gesellschafter nach Klageerhebung (Zustellung des FG-Urteils) aus der Gesellschaft ausscheidet und dann verstirbt. Die Entscheidung enthält außerdem ausführliche Hinweise zu der an sich streitigen Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die Komplementär-GmbH als Mitunternehmerin anzusehen ist mit der Folge, dass eine Steuerberatungs-KG gewerbliche Einkünfte erzielt.
1. Die Art der Einkünfte (freiberuflich oder gewerblich) gehört zu den Feststellungen, die selbstständig anfechtbar sind. Vorrangig klagebefugt (unter Ausschluss der Gesellschafter) ist während ihres Bestehens die Gesellschaft als Prozessstandschafterin (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO).
2. Eine eigene Klagebefugnis haben jedoch ausgeschiedene Gesellschafter (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO).
a) Das gilt nicht nur für Gesellschafter, die vor Klageerhebung aus der Gesellschaft ausgeschieden sind, sondern auch für solche, die während des Klageverfahrens (oder wie im Streitfall nach Zustellung des FG-Urteils) ausscheiden. Die nachträgliche Entstehung ihrer eigenen Klagebefugnis führt dazu, dass sie notwendig zum Klageverfahren beizuladen sind (§ 60 Abs. 3 Satz 1 und 2 FGO).
b) Verstirbt ein notwendig beizuladender (ausgeschiedener) Gesellschafter, sind notwendig dessen Erben beizuladen, sofern der Rechtsstreit die Zeit bis zum Eintritt des Erbfalls betrifft, denn insoweit sind auch die Erben persönlich betroffen, selbst wenn sie nicht Gesellschafter werden sollen.
c) Eine notwendige Beiladung kann der BFH entweder selbst vornehmen (§ 123 Abs. 1 Satz 2 FGO) oder den Rechtsstreit nach Ermessen an das FG zurückverweisen. Im Streitfall hat der BFH von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch gemacht.
3. Der Rechtsstreit wird gemäß § 155 FGO i.V.m. § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen beim "Tod einer Partei". Bei sinngemäßer Anwendung auf das finanzgerichtliche Verfahren tritt die Rechtsfolge beim Tod eines Beteiligten ein. In Betracht kommt auch ein notwendig Beigeladener, denn er ist Beteiligter (§ 57 Nr. 3 FGO). Das setzt aber den Beiladungsbeschluss voraus. Der notwendig Beizuladende, der noch nicht beigeladen worden ist, ist dagegen nicht Beteiligter und nicht Partei. Sein Tod unterbricht den Rechtsstreit mithin nicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.9.2023 – VIII R 31/20