Leitsatz

Leitsatz 1*

1. Zur (umstrittenen) Beweiskraft des Protokolls über die mündliche Verhandlung im Hinblick auf Verfahrensrügen und Prozessanträge.

2. Rügt der Kläger im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das FG, ist darüber im Protokoll über die mündliche Verhandlung aber nichts enthalten und lehnt das FG es auch ab, das Protokoll entsprechend zu berichtigen, müssen zumindest tatsächliche Umstände vorgebracht werden, die geeignet sind, die Beweiskraft des Protokolls zu entkräften.

Leitsatz 2*

1. Zur ordnungsgemäßen Rüge, das FG habe einen Beweisantrag übergangen, reicht die bloße Behauptung, in der mündlichen Verhandlung sei die Nichterhebung eines angebotenen Beweises beanstandet worden, nicht aus. Gibt das Sitzungsprotokoll dazu nichts her, muss vorgetragen werden, dass die Protokollierung der Rüge verlangt und – bei Weigerung des Gerichts, dem nachzukommen – die Protokollberichtigung beantragt worden sei (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

2. Lässt sich dem Protokoll nichts über die Rüge der Nichterhebung eines angebotenen Beweises entnehmen, muss die negative Beweiskraft des Protokolls über den Rügeverzicht durch das Beschwerdevorbringen widerlegt werden. Dass der Beschwerdegegner der Rüge des übergangenen Beweisantrags nicht entgegentritt und die Schilderung des Ablaufs der mündlichen Verhandlung bestätigt, reicht dazu nicht aus.

* Leitsätze nicht amtlich

 

Normenkette

§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO , § 160 Abs. 4 ZPO , § 164 ZPO , § 165 Satz 1 ZPO , § 295 Abs. 1 ZPO , § 415 ZPO , § 418 ZPO

 

Sachverhalt

1. I B 14/01: Die Beschwerdeführerin (und Klägerin) hatte mit ihrer NZB gerügt, das FG habe ihr zu einem streitentscheidenden Punkt keine hinreichende Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Deshalb sei in der mündlichen Verhandlung ein Vertagungsantrag gestellt worden, der jedoch unbeachtet geblieben sei. Tatsächlich gab das Protokoll der Verhandlung darüber aber keine Auskunft. Das FG lehnte es auch ab, das Protokoll zu berichtigen.

2. I B 178/00: Hier verhielt es sich ähnlich. Dem Beschwerdeführer und Kläger war aufgegeben worden, einen ausländischen Zeugen im Termin zu sistieren, also mitzubringen. Das scheiterte infolge Urlaubs des Zeugen, weshalb um Vertagung nachgesucht wurde. Das FG hatte dies abgelehnt (im Ergebnis wohl zu Unrecht). Das Sitzungsprotokoll gab aber auch hier nichts über die Rüge des übergangenen Beweises her, und auch eine Berichtigung war nicht beantragt worden. Allerdings wurde die Schilderung des Verhandlungsablaufs und auch die Rüge im NZB-Verfahren vom FA bestätigt.

 

Entscheidung

Der BFH hielt die NZB in beiden Fällen wegen Darlegungsmängeln für unzulässig. Es fehle an entsprechendem Vorbringen, das die Beweiskraft des Protokolls entkräften könne. Als entscheidend sah es der BFH (auch) an, dass die – durch Berufsträger beratenen und vertretenen – Kläger in beiden Fällen Sachanträge gestellt hatten. Dass das FA den Verfahrensablauf in der Sache I B 178/00 bestätigt hat, hielt der BFH nicht für hinreichend, um die negative Beweiskraft des Protokolls zu durchbrechen.

 

Hinweis

Eine Vielzahl von Nichtzulassungsbeschwerden (NZB), die beim BFH anhängig gemacht werden, ist "traditionell" und in gleichbleibend-verlässlichem Umfang unzulässig, egal, ob sie von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern angebracht werden (s. die erhellende Fehlerzusammenstellung von Seer in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 116 FGO Tz. 32 ff.). Dabei genügen oftmals schon gewisse Grundkenntnisse, um Schiffbruch zu vermeiden.

1. Besonders häufig sind unzulängliche Beschwerdebegründungen, wenn es um Verfahrensrügen geht, mittels derer geltend gemacht wird, das FG habe entscheidungsrelevante Beweisangebote übergangen oder in der einen oder anderen Weise das rechtliche Gehör verletzt. Dann wird zwar regelmäßig manches Sinnvolle und weniger Sinnvolle behauptet und geschildert (s. zu dem, was unbedingt vorgebracht werden muss, erneut Seer in Tipke/Kruse, aaO, § 120 FGO Tz. 117 ff.). Eines wird aber durchweg übersehen: Dass das Recht auf Gehör ein verzichtbares ist (vgl. § 295 Abs. 1 ZPO). Der Prozessbeteiligte ist deswegen gehalten, beizeiten, sprich noch in der mündlichen Verhandlung vor dem FG, "aufzumucken", wenn er erkennt, dass das Gericht seinen Beweisantritt ignoriert. Praktisch bedeutet dies, dass er sofort eine entsprechende Rüge in das Sitzungsprotokoll diktieren muss. Es erscheint auch untunlich, trotzdem Sachanträge zu stellen oder solche aufrechtzuerhalten. Vielmehr ist es angebracht, die betreffende Beweisaufnahme, die begehrte Vertagung o.Ä. nochmals ausdrücklich zu beantragen und auch diesen Antrag protokollieren zu lassen.

2. Wird eine solche Protokollierung versäumt, dann sind die Karten schon etwas schlechter gemischt: Der "übergangene" Prozessbeteiligte ist dann zunächst gehalten, beim FG die Berichtigung des Protokolls zu beantragen (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4, § 164 ZPO). Wenn alles seine Ordnung hat, wird das FG dem entsprechen. Wird anschließend mitt...

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