Leitsatz (amtlich)
Die Klage auf Feststellung, dem Kläger sei sein Pflichtteilsrecht nicht durch letztwillige Verfügung des Erblassers wirksam entzogen worden, ist grundsätzlich mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Der Kläger kann Leistungsklage in Form der isolierten Auskunftsklage nach § 2314 BGB oder in Form der Stufenklage mit einem zunächst unbezifferten Antrag auf Zahlung des Pflichtteils erheben, wobei sodann die Frage der Pflichtteilsentziehung inzident zu klären ist. Das Recht eines Erblassers, den Pflichtteil zu entziehen, wird mit Eintritt des Erbfalls zur "bloßen Vorfrage für das umfassendere Rechtsverhältnis ..., die jetzt als dessen unselbständiges Element - auch zur Vermeidung einer unnötigen Prozesshäufung - nicht mehr Gegenstand einer gesonderten Feststellung sein kann" (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1996 - IV ZR 139/91).
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 10.08.2021; Aktenzeichen 5 O 40/21)) |
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Beklagten wenden sich mit der Berufung gegen die Feststellung des Landgerichts, dem Kläger sei der Pflichtteil nach seinem Vater nicht durch letztwillige Verfügung vom 17. März 2020 entzogen.
Der am ... 1948 geborene und am ... 2020 verstorbene Erblasser U. H. war mit der Beklagten zu 1 verheiratet und hatte vier Kinder: - die am ... 1970 geborene und am ... 2019 verstorbene S. H., deren Sohn C. als minderjähriges Kind von seiner Großmutter mütterlicherseits und deren Ehemann adoptiert worden ist, - aus erster Ehe den am ... 1977 geborenen Kläger und die am ... 1985 geborene A. H. sowie - aus zweiter Ehe die am ... 2003 geborene Beklagte zu 2.
Der Kläger wurde durch teilweise vorgelegtes Urteil des Landgerichts Bremen vom 15. September 2009 zu 2 KLs 540 Js 21699/09 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 4 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren 6 Monaten verurteilt.
Der Erblasser hinterließ zwei Verfügungen von Todes wegen:
1. Mit eigenhändig geschriebenem und unterschriebenem "Testament" vom 1. März 2014 bestimmte der Erblasser die Beklagte zu 1 "als Alleinerbin" mit dem Zusatz: "Der Gütertrennungsvertrag ist hiermit aufgehoben; freiwillige Zuwendungen nach meinem Tod an meine Kinder liegen im Ermessen meiner Ehefrau."
2. Mit notariellem Testament vom 17. März 2020 bestimmte der Erblasser die Beklagten zu 1 und 2 als Erben jeweils zur Hälfte. Ferner heißt es: "§ 3 Meinem Sohn (, dem Kläger,) entziehe ich hiermit den gesetzlichen Pflichtteil unter Hinweis auf folgenden Sachverhalt: Mein Sohn ist drogenabhängig und wegen Drogenhandels vorbestraft. Er hat mehrere Vorstrafen erhalten, u. a. eine Haftstrafe von 4 1/2 Jahren, die er zu 2/3 verbüßt hat. Meiner Kenntnis nach hat er Kontakt zu arabischen Großfamilien und betreibt in Zusammenhang damit den Handel mit Drogen. Es liegt also ein Grund zur Entziehung des Pflichtteils gem. § 2333 Abs. 1 Ziff. 4 BGB vor, von dem ich hiermit Gebrauch mache."
Das Landgericht hat die mit der Klage verlangte Feststellung getroffen, dem Kläger sei sein Pflichtteilsrecht nach dem Vater nicht durch letztwillige Verfügung vom 17. März 2020 entzogen worden.
Gegen dieses Urteil, auf das der Senat zu näheren Sachdarstellung verweist, wenden die Beklagten sich mit der Berufung, mit der sie beantragen,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B. Die Berufung ist begründet.
I. Die Klage ist unzulässig, weil ihr das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt (§ 256 Abs. 1 ZPO). Der Kläger hätte Leistungsklage in Form der isolierten Auskunftsklage nach § 2314 BGB oder in Form der Stufenklage mit einem zunächst unbezifferten Antrag auf Zahlung des Pflichtteils erheben können, wobei sodann die Frage der Pflichtteilsentziehung inzident zu klären gewesen wäre. Denn das Recht eines Erblassers, den Pflichtteil zu entziehen, wird mit Eintritt des Erbfalls zur "bloßen Vorfrage für das umfassendere Rechtsverhältnis ..., die jetzt als dessen unselbständiges Element - auch zur Vermeidung einer unnötigen Prozesshäufung - nicht mehr Gegenstand einer gesonderten Feststellung sein kann" (vgl. Urteil des BGH vom 20. Januar 1993 zu IV ZR 139/91, zitiert nach juris, dort Rn. 10, Beschluss des OLG Frankfurt vom 22. November 2004 zu 9 W 30/04, zitiert nach juris, dort Rn. 7-10, Herberger/Bir...