Leitsatz (amtlich)
Trotz pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen ist ein Nottestament nur dann wirksam, wenn während des gesamten Errichtungsaktes gleichzeitig drei Zeugen anwesend sind, § 2250 Abs. 1 BGB.
Verfahrensgang
AG Mülheim a.d. Ruhr (Aktenzeichen 4 VI 916/21) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Feststellungsbeschluss des Nachlassgerichts vom 28. September 2021 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 200.000,- EUR
Gründe
I. Mit handschriftlich errichtetem Testament vom 20. Oktober 2019 bestimmte der Erblasser die Beteiligten zu 1 bis 3 zu jeweils gleichen Anteilen zu seinen Erben. Mit weiterem Testament vom 6. März 2021, überschrieben als Nottestament, geschrieben von der Beteiligten zu 3, vom Erblasser sowie von drei Zeugen unterschrieben, setzte der Erblasser die Beteiligte zu 3 zu seiner Alleinerbin ein.
Gestützt auf das Testament vom 20. Oktober 2019 hat der Beteiligte zu 1 einen die Beteiligten zu 1 bis 3 als Miterben zu je 1/3-Anteil ausweisenden Erbscheins beantragt.
Dem ist die Beteiligte zu 3 unter Berufung auf das Testament vom 6. März 2021 entgegen getreten. Hierzu hat sie vorgebracht, die Voraussetzungen für die Errichtung eines Nottestaments hätten vorlegen. Am 6. März 2021, einem Wochenendtag, habe der Erblasser aufgrund seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung befürchtet, alsbald in einen Zustand zu verfallen, in dem er nicht mehr in der Lage sein würde, ein Testament zu errichten, und in der Folge zu versterben. Ein Notar sei nicht erreichbar gewesen. Auf Wunsch des Erblassers sei am 6. März 2021 dann die Behandlung mit Schmerzmitteln ausgesetzt worden, um in der Lage zu sein, seinen letzten Willen wirksam zu äußern.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des vom Beteiligten zu 1 gestellten Erbscheinsantrages erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Das Nottestament sei nicht wirksam, denn die das Testament mitunterzeichnenden Zeugen seien nicht gleichzeitig anwesend gewesen. Sie hätten die Niederschrift nacheinander und jeweils einzeln dem Erblasser vorgelesen und den Text unterschrieben.
Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 6. Oktober 2021 zugestellten Beschluss vom 28. September 2021 wendet sich die Beteiligte zu 3 mit ihrer Beschwerde vom 3. November 2021. Sie meint, der Gesetzeswortlaut von § 2250 BGB verlange schon nicht die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen. Wegen der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen hätten nicht gleichzeitig drei Personen den Erblasser im Krankenhaus besuchen dürfen.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit weiterem Beschluss vom 5. November 2021 zur Entscheidung vorgelegt. Es schließe sich der in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, wonach aus dem Gesetzeswortlaut von § 2250 BGB, der die "mündliche Erklärung vor drei Zeugen" verlange, das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit von drei Zeugen folge. Die Anwesenheits- und Mitwirkungspflicht gelte für die mündliche Erklärung des letzten Willens, dessen Aufnahme und Verlesung und deren Genehmigung durch den Erblasser. Das Vorbringen der Beteiligten zu 3, aufgrund der Pandemie-Situation hätten die drei Zeugen den Erblasser nicht gleichzeitig besuchen dürfen, sei durch nichts belegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie den der beigezogenen Akte über die Verfügung von Todes wegen (AG Mülheim an der Ruhr, 4 IV 253/21) verwiesen.
II. Die nach Maßgabe von §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Feststellungsbeschluss des Nachlassgerichts vom 28. September 2021 ist dem Senat zur Entscheidung angefallen, nachdem das Nachlassgericht mit weiterem Beschluss vom 5. November 2021 ordnungsgemäß die Nichtabhilfe und Vorlage erklärt hat, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass das als Nottestament am 6. März 2021 errichtete Testament unwirksam ist. Der vom Nachlassgericht eingenommene Rechtsstandpunkt, wonach § 2250 BGB die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen während des gesamten Errichtungsaktes verlangt, entspricht der einhellig in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung. Anlass, hiervon aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen abzuweichen, besteht nicht. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss und im Nichtabhilfebeschluss merkt der Senat folgendes an:
Gemäß § 2250 Abs. 3 Satz 1 BGB handelt es sich bei den Vorschriften über den Errichtungsakt um zwingende Vorschriften ("muss"). Zwingende Vorschriften sind indes schon grundsätzlich nicht ausnahmefähig. Das gilt auch für § 2250 BGB, der seinerseits schon eine Ausnahmevorschrift ist und abweichend von den ihrerseits bereits strengen Formvorschriften der §§ 2231, 2247 BGB und der weiteren Ausnahmevorschrift des § 2249 BGB (Nottestament vor dem B...