Leitsatz (amtlich)
1. Der Zeitraum, den der Testamentsvollstrecker für die Erstellung und Übermittlung eines Nachlassverzeichnisses in Anspruch nehmen darf, ohne einen wichtigen Grund zu seiner Entlassung zu setzen, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Falles und hängt insbesondere vom Umfang und von der Komplexität des Sachverhalts sowie den vorhandenen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Nachlassmasse ab.
a) In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Testamentsvollstrecker von Berufs wegen oder aufgrund früherer vergleichbarer Ämter über Erfahrungen bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses verfügt.
b)Von Bedeutung ist überdies, in welchem zeitlichen Umfang von ihm unter Berücksichtigung seiner sonstigen (beruflichen oder anderweitigen) Verpflichtungen eine Tätigkeit zur Verwaltung des Nachlasses erwartet werden kann.
2. Selbst wenn sich im Einzelfall eine vorwerfbare zeitliche Verzögerung bei der Anfertigung und Überlassung des Nachlassverzeichnisses ergibt, führt diese nicht ohne weiteres zur Entlassung des Testamentsvollstreckers. Erforderlich ist vielmehr eine schuldhafte und grobe Missachtung der Pflicht zur unverzüglichen Vorlage eines Nachlassverzeichnisses.
3. Ebenso wenig führen sachliche Fehler im Nachlassverzeichnis ohne weiteres zur Entlassung des Testamentsvollstreckers. Nur dann, wenn die Fehler Ausdruck einer grob nachlässigen oder gar böswillig fehlerhaften Amtsführung sind, stellen sie einen wichtigen Grund zur Amtsenthebung dar. In allen anderen Fällen begründen sie nur die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers, die vorhandenen Fehler alsbald zu berichtigen.
Normenkette
BGB § 2215 Abs. 1, § 2227
Verfahrensgang
AG Duisburg (Aktenzeichen 12 VI 246/21) |
Tenor
I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1. und zu 2. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Duisburg vom 4. April 2022 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 1. und zu 2. haben jeweils zur Hälfte die Gerichtskosten des zweiten Rechtszuges zu tragen sowie hälftig dem Beteiligten zu 3. die ihm in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Beschwerdewert wird festgesetzt werden, sobald die erbetenen Angaben zur Höhe der Nachlassaktiva vorliegen.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1. und zu 2. sind die minderjährigen Enkelkinder der Erblasserin und durch Testament vom 26. November 2020 zu deren hälftige Miterben berufen. Die der Erblasserin zustehenden Geschäftsanteile an der "T. GmbH" sind dem Beteiligten zu 3. vermacht. Dieser ist überdies testamentarisch zum Testamentsvollstrecker berufen, wobei das Amt des Testamentsvollstreckers mit dem 27. Geburtstag des jüngsten der beiden Enkelkinder endet.
Die Beteiligten zu 1. und zu 2. begehren die Entlassung des Beteiligten zu 3. aus dem Amt des Testamentsvollstreckers und die Ernennung eines Ersatz-Testaments-vollstreckers. Zur Begründung machen sie geltend, dass der Beteiligte zu 3. seine Amtspflichten im Zusammenhang mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses verletzt habe, und tragen dazu im Einzelnen vor.
Das Amtsgericht hat den Entlassungsantrag zurückgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Zwar sei das vom Beteiligten zu 3. zunächst erstellte Nachlassverzeichnis unvollständig gewesen. Der Beteiligte zu 3. sei den diesbezüglichen Beanstandungen der Beteiligten zu 1. und zu 2. indes jeweils zeitnah nachgegangen und habe sodann aufgefundene Nachlassgegenstände nachgetragen. Die Versäumnisse des Beteiligten zu 3. seien bei einer wertenden Betrachtung unter Abwägung des Entlassungsinteresses gegen das Fortführungsinteresse nicht als ein schwerwiegendes Fehlverhalten zu qualifizieren, das dessen weitere Tätigkeit als Testamentsvollstrecker nicht zumutbar erscheinen lasse.
Dagegen wenden sich die Beteiligten zu 1. und zu 2. mit ihren Beschwerden. Sie wiederholen im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem amtsgerichtlichen Verfahren und wenden sich gegen die rechtliche Beurteilung in dem angefochtenen Beschluss.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Nachlassakte und auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1. und zu 2. haben keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Entlassung des Beteiligten zu 3. aus dem Amt des Testamentsvollstreckers mit Recht zurückgewiesen und zutreffend angenommen, dass die festgestellten Unzulänglichkeiten in der Amtsführung des Beteiligten zu 3. keinen wichtigen Grund im Sinne von § 2227 BGB darstellen.
A. Gemäß § 2227 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines der Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.
Ob ein wichtiger Grund in diesem Sinne vorliegt, beurteilt sich...