Leitsatz (amtlich)
1. Der Steuerberater kommt mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten nicht allein deshalb in Verzug, weil die Steuererklärung nicht innerhalb der hoheitlich festgesetzten Frist beim Finanzamt eingeht.
2. Der Steuerberater haftet jedoch wegen positiver Vertragsverletzung, wenn er seine Pflicht, die pünktliche Abgabe der Steuererklärung mit Rat und Tat zu fördern, schuldhaft nicht ordnungsgemäß erfüllt.
3. Er hat dem Mandanten dann die später vom Finanzamt festgesetzten Verspätungszuschläge gem. § 152 AO und Nachzahlungszinsen gem. § 233a Abs. 1 S. 1 AO zu ersetzen; letztere allerdings nur in der Höhe, in der sie bis zur verspäteten Abgabe der Steuererklärung angefallen sind.
4. Der Einwand des Steuerberaters, dem Mandanten seien im Zusammenhang mit der Verzögerung der Steuerfestsetzung Vermögensvorteile erwachsen, betrifft die Vorteilsausgleichung, die grundsätzlich der beklagte Steuerberater darlegen und beweisen muss.
Verfahrensgang
LG Krefeld (Aktenzeichen 4 O 355/01) |
Tenor
Die Anschlussberufung des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung i.Ü. das am 28.5.2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Krefeld teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage i.Ü. verurteilt, an den Kläger 4.933,71 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.8.2001 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits der I. und II. Instanz tragen zu 3/5 der Kläger und zu 2/5 die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das LG hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Sie beantragt, das Urteil des LG Krefeld vom 28.5.2002 abzuändern und die in 2. Instanz erweiterte Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Klageerweiterung die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 2.000 DM (= 1.022,85 Euro) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vortrags wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
A. Zur Berufung der Beklagten
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.
Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
Das angefochtene Urteil beruht teilweise auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung nur i.H.v. 4.933,71 Euro (= 9.649,50 DM) zu.
I. Das LG hat die Pflichtverletzung mit zutreffender Begründung unter Beachtung des Vortrags beider Parteien bejaht. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen greift nicht durch.
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, es liege mangels Mahnung kein Verzug vor. Denn auf das Vorliegen eines Verzugs kommt es nicht an. Macht ein Mandant seinen Steuerberater für die verspätete Abgabe einer Steuererklärung verantwortlich, ist die Haftung aus Verzug (§ 286 BGB) von der Haftung aus positiver Vertragsverletzung zu unterscheiden:
Eine Verzugshaftung kommt unter dem Gesichtspunkt einer Fristüberschreitung nur in Betracht, wenn die fristgemäße Einreichung zu den Dienstpflichten des Steuerberaters zählt. Eine solche Dienstpflicht ist grundsätzlich nicht anzunehmen. Denn ohne eine eindeutige Zusage übernimmt der steuerliche Berater im Zweifel nicht die Vertragspflicht, für den Leistungserfolg einzustehen, dass die steuerlichen Erklärungen zu den gesetzlich bestimmten Fristen fertig gestellt sind (vgl. BGH v. 17.10.1991 – IX ZR 255/90, MDR 1992, 345 = NJW 1992, 307 ff.). Sofern dies ausnahmsweise doch angenommen werden kann, gerät der Steuerberater regelmäßig erst dann in Verzug, wenn er trotz Mahnung fällige Dienstpflichten nicht erfüllt. Hierum geht es in dem vorliegenden Fall aber nicht.
Aus pVV haftet der Steuerberater, wenn er seine Pflicht, die pünktliche Abgabe einer Steuererklärung mit Rat und Tat zu fördern, schuldhaft nicht ordnungsgemäß erfüllt (BGH v. 31.1.1991 – IX ZR 124/90, MDR 1991, 727 = NJW-RR 1991, 794 [795]; v. 17.10.1991 – IX ZR 255/90, MDR 1992, 345 = NJW 1992, 307 ff.). Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Steuerberater verpflichtet, durch Einsichtnahme in Belege oder notfalls durch Rückfrage bei dem Mandanten den Sachverhalt aufzuklären. Es ist somit allein seine Sache, den Mandanten darüber zu unterrichten, welche Unterlagen er zur sachgerechten Erledigung seines Auftrags benötige; Sache des Mandanten ist es dann, diese Unterlagen zu beschaffen (BGH v. 6.6.1991 – IX ZR 195/90, MDR 1992, 135 = NJW 1991, 2831; v. 22.4.1999 – IX ZR 112/98, MDR 1999, 961 = NJW 1999, 3482 [3483]). Die wesentlichen tatsächlichen Voraussetzungen muss der Steuerberater durch Rückfragen und Erörterung mit dem Mandanten zu klären versuchen; über notwendige weitere Mitwirk...