Leitsatz (amtlich)
Die Niederschrift eines Nottestaments ist auch dann wirksam errichtet, wenn die von dem Erblasser allein unterschriebene und genehmigte Erklärung zusammen mit der auf einem gesonderten Blatt von einem Testamentszeugen niedergelegten und von diesem unterschriebenen Erklärung eine einheitliche Urkunde bildet.
Normenkette
BGB §§ 2249-2250
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 22.10.2014; Aktenzeichen 63 VI 9945/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des AG München - Nachlassgericht - vom 22.10.2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der ledige und kinderlose Erblasser ist am 26.07.2012 im Alter von 79 Jahren verstorben. Sein Bruder ist am 13.6.2007 kinderlos vorverstorben. Der Beteiligte zu 1 ist der langjährige Hausarzt des Erblassers, die Beteiligte zu 2 ist die Lebensgefährtin des Erblassers.
Am 06.07.2012 ließen der Erblasser und der Beteiligte zu 1 im Krankenhaus einen gemischten Schenkungsvertrag notariell beurkunden, in dem der Erblasser dem Beteiligten zu 1 seinen Grundbesitz in der B. Straße in München unter dem Verkehrswert überließ.
Es liegen folgende schriftliche letztwillige Verfügungen des Erblassers vor:
1. Erbvertrag vom 29.03.1965 mit seinem Bruder, in dem jeder seine eigenen Kinder, ersatzweise den Bruder, wiederum ersatzweise die Abkömmlinge des Bruders als Erben einsetzte.
2. Handschriftliches Testament vom 28.04.2008, in dem er die Beteiligte zu 2 zu seiner Alleinerbin eingesetzt hat.
Vom 31.05.2012 bis zu seinem Tod befand sich der Erblasser, der an chronischer lymphatischer Leukämie litt, aufgrund eines akuten Nierenversagens im Krankenhaus. Am 24.07.2012 um 21:30 Uhr errichtete der Erblasser ein Nottestament, mit dem er den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben einsetzte. Die Niederschrift wurde von dem Zeugen K. angefertigt, von diesem in Anwesenheit der Zeugen P. und B. sowie des Beteiligten zu 1 im Krankenzimmer des Erblassers vorgelesen und durch den Erblasser durch ein mündliches "Ja" genehmigt und sodann von diesem unterschrieben.
Auf einem gesonderten Blatt, das die gleiche Beschaffenheit (kariert) und Perforierung wie die von dem Erblasser unterschriebene Erklärung aufweist und von dem Zeugen K. später in Abwesenheit des Erblassers und der Zeugen erstellt wurde, findet sich folgender Text:
"Der Text auf der ersten Seite wurde von RA K. geschrieben und zwar in Anwesenheit des Herrn J. und der Zeugen RA P. und Fr. B. im Krankenzimmer des H. J., ihm davor vorgelesen und der Inhalt genehmigt durch deutliches "Ja" und dann unterzeichnet im Klinikum Großhadern im Krankenzimmer am 24.07.2012 um 21 Uhr 30.
(Unterschrift des Zeugen K.)".
Der Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2. Das Nottestament sei nicht wirksam errichtet worden, weil nach ihrer Ansicht zwingende Formvorschriften nicht eingehalten worden seien. Es sei auch nicht versucht worden, vor Errichtung des Nottestaments einen Notar zu erreichen. Der Erblasser sei im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen; im Übrigen verstoße das Testament gegen die guten Sitten.
Das Nachlassgericht hat die Testamentszeugen im Rahmen eines Beweisaufnahmetermins vernommen, die Patientenakte über den Erblasser von dem Krankenhaus beigezogen, schriftliche Stellungnahmen der den Erblasser behandelnden Ärzte, der Krankenschwestern sowie ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers eingeholt. Mit Beschluss vom 22.10.2014 kündigte das Nachlassgericht an, den von dem Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein zu erlassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Erbfolge nach dem Testament vom 24.7.2012 bestimmt.
1. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB war.
a) Nach der Konzeption des § 2229 BGB, wonach die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, gilt jedermann, der das 16. Lebensjahr (§ 2229 Abs. 1 BGB) vollendet hat, solange als testierfähig, bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist (vgl. Lauck in: Burandt/Rojahn Erbrecht 2. Auflage [2014] § 2229 BGB Rn. 22 m.w.N.).
Nach § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr ...