Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung, Erbfall, Auskunft, Revision, Berufungsverfahren, Auskunftserteilung, Anspruch, Vergleich, Vorlage, Nachlass, Teilurteil, Berechnung, Bemessung, Klage, Vorlage von Belegen, angefochtene Entscheidung, besondere Sachkunde
Leitsatz (amtlich)
1. Der Pflichtteilsberechtigte hat im Rahmen des Auskunftsanspruchs zu Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen (Anschluss an OLG Düsseldorf ZEV 2019, 90).
2. Wird der Beklagte nicht nur zur Auskunftserteilung, sondern auch zur Belegvorlage verurteilt, kommt es für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes auch auf die Kosten an, die mit der Beschaffung der Belege (hier u.a. Bankunterlagen für die letzten 10 Jahre vor dem Erbfall) verbunden sind.
Normenkette
BGB §§ 260, 2314 Abs. 1; ZPO § 511 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Memmingen (Urteil vom 16.12.2020; Aktenzeichen 35 O 753/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teil-Anerkenntnis-, Teil-Versäumnis- und Teil-Endurteil des Landgerichts Memmingen vom 16.12.2020, Aktenzeichen 35 O 753/20 insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als der Beklagte in Ziffer 1 des angefochtenen Urteils verurteilt wurde, sämtliche Auskünfte unter Belegvorlage zu erteilen, mitzuteilen, ob und gegebenenfalls wem die Erblasserin Vollmacht erteilt hat, über ihr Vermögen, insbesondere über ihre Bankkonten zu verfügen und ob in diesem Zusammenhang Forderungen des Nachlasses gegen Bevollmächtigte bestehen sowie bei Kapitalvermögen die Mitteilungen an die Erbschaftssteuerstelle gemäß § 33 ErbStG vorzulegen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche. Der Kläger ist der Sohn der am 12.01.2019 verstorbenen Erblasserin, der Beklagte ihr Ehemann. Die Erblasserin wurde vom Beklagten allein beerbt.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger Auskunft und Belegvorlage vom Beklagten, um seine Pflichtteilsansprüche beziffern zu können.
Der Beklagte verteidigt sich mit der Behauptung, ein Anspruch auf Belegvorlage bestünde nicht, im Übrigen seien die Belege bereits zum Teil vorgelegt worden.
Das Erstgericht hat der Klage mit Teilurteil vom 16.12.2020 stattgegeben.
Es sah die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Belegvorlage als gegeben an.
Im Übrigen nimmt der Senat hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Feststellungen im Teilurteil des Landgerichts Memmingen vom 16.12.2020 Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Der Beklagte rügt in seiner Berufungsbegründung vom 15.01.2021 (Bl. 57 ff d.A.), dass das Erstgericht zu Unrecht eine allgemeine Belegvorlage zugesprochen hat.
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren (Bl. 57 der Akten):
Das Teilurteil des Landgerichts Memmingen vom 16.12.2020, Az.: 35 O 753/20 wird insoweit aufgehoben und die Klage in der Auskunftsstufe als unzulässig und unbegründet abgewiesen, als der Beklagte und Berufungskläger dazu verurteilt worden ist,
- sämtliche Ansprüche (sic!) haben unter Belegvorlage (Kopien) zu erfolgen
- auch ist mitzuteilen, ob und ggf. wem die Erblasserin Vollmacht erteilt hat, über ihr Vermögen, insbesondere über ihre Bankkonten zu verfügen und ob in diesem Zusammenhang Forderung des Nachlasses gegen Bevollmächtigte bestehen
- bei Kapitalvermögen ist eine Mitteilung an die Erbschaftssteuerstelle gemäß § 33 EStG vorzulegen.
Der Kläger beantragt (Bl. 62 der Akten),
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass eine Belegvorlage vorliegend deswegen gerechtfertigt sei, weil diese notwendig sei, um hinsichtlich des Nachlassbestandes eine Werteinschätzung vornehmen zu können.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28.4.2021 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Am 14.6.2021 hat der Senat mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Inhalts und Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll (Bl. 88/89 d.A.) Bezug genommen. Eine gütliche Einigung war nicht möglich.
Ergänzend verweist der Senat auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II. Die zulässige Berufung ist im Ergebnis erfolgreich.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere wird der Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) erreicht. Zwar entspricht es der herrschenden Meinung, dass sich bei der Verurteilung des Beklagten zur Auskunft dessen Beschwer grundsätzlich nur nach dem mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwand bemisst, wobei auf die Sätze nach dem JVEG abzustellen ist (BGH NJW 1995, 664; NJW-RR 2021, 724; Krätzschel in: NK/Nachfolgerecht 2. Auflage ≪2018≫ § 254 ZPO Rn. 25 ff). Dabei ist im Wesentlichen auf den substantiiert vorzutragenden Aufwand und Zeit abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (Thoms/Putzo/Hüßtege ZPO 42. Auflage ≪2021≫ § 3 Rn. 21c). Danach übersteigt die Beschwer wohl nur in Ausnahmefällen die Grenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass alle Auskünfte, die der Beklagte zu ertei...