Leitsatz
Geschäftsführungsleistungen eines GmbH-Geschäftsführers können als selbstständig i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu beurteilen sein. Die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers steht dem nicht entgegen (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999 , Art. 4 Abs. 26. EG-RL
Sachverhalt
Ein GmbH-Geschäftsführer, M, war aufgrund eines Vertrags als freier Mitarbeiter entgeltlich tätig; er erhielt vereinbarungsgemäß für seine Geschäftsführertätigkeit, die er hinsichtlich des zeitlichen Rahmens, in dem er der GmbH zur Verfügung stand, sowie in Bezug auf Ort und Umfang seiner Tätigkeit nach eigenem Ermessen und ohne Bindung an Vorschriften der Gesellschaft bestimmen konnte, ein monatliches Pauschalhonorar zuzüglich Mehrwertsteuer.
Die GmbH machte vergeblich die berechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend.
Entscheidung
Der BFH konnte nicht abschließend entscheiden, weil die Feststellungen des FG nicht ausreichten. Dass M Zeit, Umfang und Ort der Tätigkeit nach eigenem Ermessen bestimmen konnte, reichte allein nicht aus. Für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit sprach zwar die Vereinbarung im Arbeitsvertrag, wonach M an keine Vorschriften der Gesellschaft gebunden war. Gegen die Beurteilung als selbstständig sprechen ein Urlaubsanspruch, der Anspruch auf sonstige Sozialleistungen oder die Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall (insbesondere bei festen Bezügen). Das FG hatte hierzu keine Feststellungen getroffen.
Hinweis
Für die Beurteilung, ob eine Tätigkeit selbstständig oder nicht selbstständig ausgeübt wird, ist grundsätzlich das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Gewicht hat z.B. das Merkmal des Unternehmerrisikos in der Form des Vergütungsrisikos, die Frage, ob eine Vergütung für Ausfallzeiten gezahlt wird, ob der Steuerpflichtige von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt ist. Ein Indiz kann auch die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tätigkeit als selbstständig oder unselbstständig sein. Die Frage der Selbstständigkeit natürlicher Personen ist zwar grundsätzlich für die Umsatzsteuer, die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer nach denselben Grundsätzen zu beurteilen; eine Bindung an die ertragsteuerrechtliche Beurteilung besteht für das Umsatzsteuerrecht jedoch nicht.
Die bisherige Rechtsprechung beurteilte die entgeltliche Geschäftsführertätigkeit des GmbH-Geschäftsführers wegen dessen Organstellung als nicht selbstständig i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Zweifel an der Beibehaltung dieses Kriteriums hatte schon die Begründung im BFH-Urteil vom 6.6.2002, V R 43/01 (BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36 zur Geschäftsführung für Personengesellschaften, geweckt. Die Zweifel hat der BFH jetzt ausgeräumt. Auch bei Vertretern juristischer Personen ist zu unterscheiden zwischen der Organstellung und dem ihr zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis.
Denn: Bestellung und Abberufung als Vertretungsorgan sind ausschließlich körperschaftliche Rechtsakte, durch die gesetzliche und satzungsgemäße Kompetenzen übertragen oder entzogen werden. Dagegen ist die Anstellung zum Zweck des Tätigwerdens als Vertretungsorgan regelmäßig ein schuldrechtlicher gegenseitiger Vertrag.
Abzustellen ist deshalb grundsätzlich auch bei der Beurteilung der Tätigkeit des GmbH-Geschäftsführers auf die Umstände des Einzelfalls. Eine andere Beurteilung ließe sich mit der 6. EG-RL nicht vereinbaren. Entsprechend einer Protokollerklärung zu Art. 4 der 6. EG-RL können die Mitgliedstaaten davon ausgehen, u.a. "die Tätigkeiten von Geschäftsführern, Verwaltern und Aufsichtsratsmitgliedern der Mehrwertsteuer zu unterwerfen".
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.3.2005, V R 29/03