Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübung eines Gewerbes wird nicht wegen Unmöglichkeit zum Nachkommen von Ratenzahlungen wegen einer Insolvenz untersagt
Leitsatz (redaktionell)
1. § 12 GewO steht der zwangsweisen Durchsetzung einer Gewerbeuntersagung während eines Insolvenzverfahrens auch dann entgegen, wenn die Gewerbeuntersagungsverfügung zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon bestandskräftig ist, der Betrieb aber geduldet wird.
2. Die Vollziehung einer Gewerbeuntersagung darf nicht aufgrund von Zahlungsrückständen des insolventen Gewerbetreibenden erfolgen, die vor der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters entstanden sind und als Insolvenzforderungen zu qualifizieren sind.
Normenkette
InsO §§ 21, 35 Abs. 2 S. 1, Abs. 3; GewO § 12
Verfahrensgang
VG Gelsenkirchen (Beschluss vom 23.08.2010; Aktenzeichen 7 K 3958/10) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 3958/10 (VG Gelsenkirchen) gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 23. August 2010 (Festsetzung eines Zwangsgeldes von 2.500 Euro und Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 5.000 Euro) wird angeordnet.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz tragen der Antragsteller 3/4 und der Antragsgegner 1/4.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,– Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Mit Ordnungsverfügung vom 10. März 2009 untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller die selbstständige Ausübung des Gewerbes „Bodenleger, Estrichleger”, die Ausübung aller weiteren Gewerbe und die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbebetriebes sowie die Leitung eines Gewerbebetriebes. Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung an und drohte dem Antragsteller ein Zwangsgeld von 2.500,- Euro für den Fall der Zuwiderhandlung an. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, der Antragsteller habe Steuer-, Abgaben- und Beitragsschulden in Höhe von mehr als 20.000,- Euro, deren Begleichung nicht zu erwarten sei (Finanzamt: 6.195,04 Euro; J. : 5.434,52 Euro; E. : 6.966,05 Euro; Handwerkskammer: 1.412,30 Euro); außerdem sei der Antragsteller seinen steuerlichen Erklärungspflichten nur unzureichend nachgekommen. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage und stellte einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Im Anschluss an den folgenden Vergleich nahm der Antragsteller die Klage und den Eilantrag am 29. April 2009 zurück:
- Der Kläger/Antragsteller verpflichtet sich, die Umsatzsteuererklärungen jeweils pünktlich abzugeben und die laufend fällige Umsatzsteuer pünktlich zu entrichten. Er wird weiter monatlich die bisher gezahlten Raten von 1.000 Euro an das Finanzamt abführen, an die Knappschaft monatlich 400 Euro und weitere Beträge auf die Rückstände bei der Krankenkasse, die momentan noch ca. 3.800 Euro betragen.
- Soweit der Kläger/Antragsteller den Verpflichtungen aus Ziffer 1. nachkommt, wird der Beklagte/Antragsgegner den Betrieb dulden. Die sofortige Vollziehung wird zunächst bis zum 31.12. 2009 ausgesetzt, danach wird der Beklagte/Antragsgegner entscheiden, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung noch notwendig ist, oder ob es weiter bei der Aussetzung bleiben kann. Die Duldung beläuft sich vorläufig auf ein Jahr, danach wird der Beklagte/Antragsgegner entscheiden, ob der Betrieb weiter geduldet und evtl. nach Ablauf der gesetzlichen Frist wiedergestattet werden kann. Sollte der Kläger/Antragsteller mit den in Ziffer 1. beschriebenen Ratenzahlungen in Verzug kommen, ist der Beklagte/Antragsgegner berechtigt, die sofortige Vollziehung wieder anzuordnen und er ist auch an die Duldungszusage nicht mehr gebunden.
Unter dem 11. Januar 2010 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, zwar habe er seine Rückstünde um insgesamt 3.500 Euro gemindert. Allerdings seien die Rückstände gegenüber der Deutschen Rentenversicherung gestiegen. Dennoch sei er bereit, die Duldung weiterhin aufrechtzuerhalten. Anfang April 2010 werde er die Rückstände erneut abfragen.
Am 4. Februar 2010 beantragte der Antragsteller beim Amtsgericht C. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Mit Beschluss vom 24. Februar 2010 bestellte das Amtsgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen des Antragstellers über Gegenstände seines Vermögens nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 InsO). Durch Beschluss vom 30. April 2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit Schreiben vom 5. Mai 2010, zugestellt am 6. Mai 2010, teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, er halte die Duldung nicht weiter aufrecht, sondern ziehe sie mit diesem Schreiben zurück. Die Rückstände bei der J. seien auf knapp 5.000,- Euro, bei der E. auf über 7.800,- Euro gestiegen. Auch beim Finanzamt sei ein Betrag von 200,- Euro in der Beitreibung. Zudem sei ein Insolvenzverfahren anhängig. Die bestandskräftige...