Wie bereits dargestellt kommt dem "Hauptzwecktest" in der nun vorliegenden Verwaltungsauffassung die zentrale Bedeutung zu. Die Finanzverwaltung will hier auf die gesetzliche Normierung des Hauptzwecks für den 15 %-Sockelbetrag abstellen (vgl. § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 4 und 5 ErbStG). Der Hauptzweck ist nur dann erfüllt, wenn die übertragene Gesellschaft originär gewerblich, freiberuflich oder land- und forstwirtschaftlich tätig ist. Eine vermögensverwaltende Tätigkeit oder eine gewerbliche Prägung einer vermögensverwaltenden Gesellschaft genügen nicht zur Erfüllung des Hauptzwecktests.
Es ist allerdings offen, wie in Grenzfällen zu verfahren ist. Die Finanzverwaltung will hier eine "differenzierte Prüfung" (vgl. LfSt Bayern v. 8.12.2022 – S 3102.1.1-19/22 St 34 [im Folgenden "Leit-Fest"] Rz. 2.3.3.2) vornehmen. Eine differenzierte Prüfung ist demnach bereits vorzunehmen, wenn eine Gesellschaft sowohl gewerbliche als auch vermögensverwaltende Tätigkeiten ausübt. Anhand welcher Kriterien diese differenzierte Prüfung im Einzelfall vorgenommen werden soll, wird jedoch nicht ausgeführt (vgl. hierzu auch Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13b Rz. 343). Teilweise existieren in der Literatur Lösungsansätze (vgl. Schwind, WPg 2024, 663, 666), die jedoch leider bislang weder durch die Finanzverwaltung noch durch die Rspr. für eine diesbezügliche Klärung aufgegriffen wurden.
Der Hauptzwecktest führt damit bereits bei einem einzigen übertragenen Unternehmen zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Bei Konzernsachverhalten (Verbundvermögen) wird die Aufgabe ungleich komplexer. Hier können die Unternehmen verschiedenste Tätigkeiten durchführen. So kann bspw. eine Vermietungsgesellschaft (Besitzgesellschaft) existieren, die Grundstücke konzernintern und -extern vermietet. Die Gesellschaft würde für sich genommen den Hauptzwecktest wohl nicht bestehen. Wenn daneben aber weitere originär gewerblich tätige Gesellschaften hinzukommen, die jede für sich den Hauptzwecktest bestehen würden, bleibt fraglich, zu welchen Konsequenzen dies für den Unternehmensverbund i.R.d. maßgebenden Steuerveranlagung auf oberster Ebene führt. Die Verwaltung will dabei eine "Gesamtbetrachtung des Verbundes" (vgl. Leit-Fest Rz. 2.3.3.2) vornehmen, was in der Literatur ebenfalls zutreffenderweise gefordert wird (vgl. Zieglmeier, UVR 2024, 217, 222). Auch hier bleiben Grundlagen für die Gesamtbetrachtung offen. Wenngleich eine wertmäßige Gewichtung möglich erscheint (so Schwind, WPg 2024, 663, 666 f.) kann ebenso die Gewichtung nach Umsatzanteilen, Lohnsummen oder Gewinngrößen zielführend sein. Etwaige Grenzen, die über das Schicksal beim 90 %-Test entscheiden sind jedoch nicht ersichtlich. Es gilt eine weiterhegende Interpretation der Finanzverwaltung abzuwarten.
Das vorstehende Beispiel der konzerninternen Vermietungsgesellschaft zeigt zudem, dass die Betrachtung auf Einzelgesellschaftsebene und Feststellung des Hauptzwecks bei einer isolierten Betrachtungsweise zu unzutreffenden Ergebnissen führen kann. Die aus einer konzerninternen Vermietung möglicherweise abgeleitete Ablehnung der Erfüllung des Hauptzweckkriteriums für die Vermietungsgesellschaft erscheint nicht folgerichtig. Die Rückausnahme der konzerninternen Vermietung (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 lit. c ErbStG) führt nicht zu Verwaltungsvermögen von Grundbesitz. Demnach kann eine Benachteiligung ggf. des gesamten Verbundes i.R.d. 90 %-Tests über den Umweg des Hauptzweckkriteriums nicht gewünscht sein. Folglich wäre eine Beurteilung des Hauptzweckkriteriums auf oberster Verbundebene unter Berücksichtigung nur der verbundextern erbrachten Lieferungen und Leistungen begrüßenswert, wenngleich allgemeingültige oder gar objektive Wertgrenzen für Umsatz- und Ergebnisverhältnisse nur schwer abgeleitet werden können. Insofern wird neben quantitativen Kriterien auch immer eine qualitative Wertungskomponente notwendig sein. So könnten bspw. auch dem grundsätzlich gewerblichen Geschäftsbetrieb dienliche vermögensverwaltende Hilfsumsätze als unschädlich qualifiziert werden, um die Komplexität der Prüfung zu reduzieren.
Beispiel 3
Die A-AG (reine Holdinggesellschaft) hält sämtliche Anteile an der Tochtergesellschaft ABC-GmbH, welche Pkw produziert und veräußert. Die ABC-GmbH erfüllt das Hauptzweckkriterium. Die A-AG bedient sich zur Absatzförderung der Pkws auch einer konzerninternen Tochtergesellschaft X-GmbH. Die X-GmbH vergibt zinsgünstige Kredite an Erwerber von Pkws der ABC-GmbH. Die X-GmbH erwirtschaftet ausschließlich Zinserträge aus den Darlehen an die Pkw-Käufer. Die X-GmbH als vermögensverwaltende GmbH erfüllt das Hauptzweckkriterium nicht. Daneben existiert die V-GmbH als Tochtergesellschaft der A-AG, welche die Betriebsimmobilie an die übrigen Gesellschaften ausschließlich konzernintern vermietet und dadurch das Hauptzweckkriterium wohl nicht erfüllt. Auf Ebene der A-AG ist nun zu entscheiden, ob der Verbund das Hauptzweckkriterium erfüllt.
Ein solcher Verbund wird wohl allgemein als grundsätzli...