Leitsatz
Verspricht eine GmbH ihrem 56 Jahre alten beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ein Altersruhegeld für die Zeit nach Vollendung des 65. Lebensjahrs, so führt dies nicht notwendig zur Annahme einer vGA. Das gilt insbesondere dann, wenn die Pensionszusage auch deshalb erteilt wurde, weil der Geschäftsführer nicht anderweitig eine angemessene Altersversorgung aufbauen konnte.
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine im Januar 1991 in den neuen Bundesländern gegründete GmbH, versprach ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer im November 1991 eine Altersrente auf das 65. Lebensjahr sowie eine Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung zu. Der zu diesem Zeitpunkt 56 Jahre alte Gesellschafter-Geschäftsführer war zuvor seit Jahrzehnten als Einzelunternehmer in der DDR tätig. Dieses Unternehmen wurde seit Gründung der GmbH im Rahmen einer Betriebsaufspaltung fortgesetzt. Das FA störte sich an der zu gering bemessenen Erdienensdauer und nahm insoweit vGA an.
Entscheidung
Anders als das FG gab der BFH der Klägerin in der eigentlichen Streitfrage Recht. Er bekräftigte zwar das Erfordernis einer Erdienbarkeit, aber auch die nur indizielle Wirkung der dafür grundsätzlich heranzuziehenden betriebsrentenrechtlichen Unverfallbarkeitsfristen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer habe in der Vergangenheit in der DDR keine eigene Altersversorgung aufbauen können. Dem sei nun dadurch Rechnung zu tragen, dass die GmbH "in die Bresche springen" dürfe. Dass es an der grundsätzlich gebotenen zehnjährigen Erdienensdauer bis zum vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand fehle, ändere daran nichts.
Dennoch müsse die Sache an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen werden: Es gebe Grund für die Annahme, dass die Versorgungszusage nicht ernstlich gemeint gewesen sei. Denn der Gesellschafter-Geschäftsführer sei vorzeitig Invalide geworden, dennoch sei ihm aber keine Pension gezahlt worden. Habe sich die drohende Invalidität bereits im Zusagezeitpunkt der Versorgung abgezeichnet, müsse überdies gefragt werden, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer sich trotzdem auf die Zusage einer Invaliditätszusage eingelassen hätte.
Hinweis
1. Es ist – in gewisser Weise gebetsmühlenartig – zu wiederholen: Die Rechtsprechung verlangt, dass die Pension, welche eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer zusagt, erdienbar sein muss. Dieses Erfordernis leitet sich aus dem Umstand ab, dass auch die Versorgungsansprüche Lohn für – eben – erdiente Arbeit ist. Hinzuweisen ist insoweit auch auf das zu diesem Fragenkreis zuletzt ergangene Urteil vom 30.1.2002, I R 56/01, das Ihnen in BFH-PR 2002, 257 vorgestellt wurde.
2. Legt man dies zugrunde, dann fragt man sich immer wieder, auf welchen Zeitraum diese Erdienbarkeit denn nun zu bemessen ist, kurz die Frage nach der Erdienensdauer. In einer jetzt schon recht "traditionellen" Rechtsprechung sucht der BFH für die Bestimmung der Erdienensdauer – jedenfalls bislang – Anleihe bei den gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen. Diese beliefen sich in der Vergangenheit (s. aber unter 4.) entweder auf mindestens zehn Jahre oder aber auf mindestens drei Jahre, dies aber vorausgesetzt, der Beginn der Betriebszugehörigkeit liegt mindestens 12 Jahre zurück (vgl. § 1 Abs. 1 BetrAVG a.F.).
Die 2. Variante kam bislang allerdings nur für Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer Bedeutung zu. Beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer vermutet man einen steuerlich nicht zu akzeptierende rückwirkende Vergütung (Nachholverbot). Das führt dann im Ergebnis dazu, dass z.B. einem 56-jährigen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer steuerlich gesehen eine Pension auf ein Pensionsalter von 65 nicht mehr versprochen werden kann.
3. Jedoch: Der BFH hatte bereits in einem NZB-Beschluss vom 4.5.1998, I B 131/97 (BFH/NV 1998, 1530) erklärt, dass diese Anlehnung an die Unverfallbarkeitsfristen kein Dogma ist: Das scheitert zum einen daran, dass es sich um arbeitsrechtliche Fristen handelt, denen steuerlich keine unmittelbare Relevanz zukommen kann (zumal der Gesellschafter-Geschäftsführer dem BetrAVG und dessen Segnungen nicht unmittelbar unterfällt). Zum anderen dürfen steuerliche Anhaltspunkte und Indizien, denen eine gesetzlich zwingende Vorgabe fehlt und welche (nur) von der Rechtsprechung herangezogen worden sind, nicht starr und flächendeckend angewandt werden; sie bedürfen vielmehr stets der Würdigung im Gesamtzusammenhang des Einzelfalls (vgl. die Oder-Konto-Beschlüsse des BVerfG, s. dazu z.B. BFH, Urteile vom 23.10.1996, I R 71/95, BStBl II 1999, 35; vom 11.2.1997, I R 43/96, BFH/NV 1997, 806; vom 15.3.2000, I R 40/99, BStBl II 2000, 504).
Hiervon ausgehend müssen einzelfallgerechte Ausnahmen von den aufgezeigten Fristen gemacht werden, so beispielsweise, wenn es darum geht, eine anderweitig schwerlich schließbare Lücke in der Altersversorgung des betreffenden Gesellschafter-Geschäftsführers zu verhindern. Es kann unter solchen Umständen...