Leitsatz
Ein Pflegekindschaftsverhältnis zwischen Pflegeeltern und einem Kind kann auch dann bestehen, wenn das Kind im Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme fast volljährig ist und es weiterhin telefonischen und sporadischen Besuchskontakt zu einem leiblichen Elternteil hat.
Sachverhalt
Streitig ist, ob der Kläger für ein im Februar 1995 geborenes Kind, welches im September 2011 als Pflegekind in den Haushalt des Klägers aufgenommen wurde, kindergeldberechtigt ist. Die Familienkasse (FK) lehnte den Kindergeldantrag des Klägers ab, da weiterhin ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu einem leiblichen Elternteil bestehe. Das Pflegekind besuche einmal im Monat ihre Mutter. Nach erfolglosem Einspruch trägt der Kläger mit seiner Klage vor, die Tochter habe nur sporadischen Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter. Übernachtungen würden bei der Mutter nicht stattfinden. Ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zur Mutter sei nicht mehr gegeben.
Entscheidung
Im Streitfall hat das FG das Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses zum Kläger bejaht. Die vom BFH geforderte ideelle Dauerbindung im Sinne einer "natürlichen Einheit von Versorgung, Erziehung und Heimat" ist feststellbar. Für das Kind ist der Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau das "Zuhause". Dies hat das Kind in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt. Es ist nicht nur Kostgänger im Haushalt des Klägers sondern gehört zur Familie, was von ihr auch so empfunden wird. Dies gilt jedenfalls für den Zeitraum, für den der Kläger vorliegend das Kindergeld begehrt. Die Rechtsprechung des BFH, wonach die Annahme eines "familienähnlichen Bands" bei einem bereits volljährigen Kind nur bei Hilflosigkeit oder Behinderung für möglich gehalten wird, ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da das Kind noch nicht volljährig war, als es in den Haushalt des Klägers kam. Das FG ist jedoch der Ansicht, dass hier unter Würdigung der Gesamtsituation besondere Umstände gegeben sind, die es rechtfertigen, trotz des fortgeschrittenen Alters des Kindes von einem familienähnlichen Band zu dem Kläger und seiner Ehefrau auszugehen. Der vom BFH geforderte Zeitmoment ist im vorliegenden Fall ebenfalls erfüllt. Dabei geht das FG davon aus, dass der Kontakt zwischen der Mutter und dem Kind in dem Zeitraum vor der Aufnahme bei den Pflegeeltern nicht intensiver gewesen ist, als nach der Aufnahme in den Haushalt des Klägers.
Hinweis
Damit höchstrichterlich geklärt werden könne, ob bei fast volljährigen Kindern bereits jeder Kontakt zu den leiblichen Eltern dazu führt, dass ein "Obhuts- und Pflegeverhältnis" gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu bejahen ist, mit der Folge, dass kein Pflegekindschaftsverhältnis mehr angenommen werden kann, hatte das FG die Revision zugelassen. Diese wurde jedoch nicht eingelegt, sodass sich Betroffene in vergleichbaren Fällen nur auf die Entscheidung des FG berufen können.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.06.2013, 13 K 30/13