Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Nachfolgend werden nur Altanlagen (Lieferung/Abnahme bis 31.12.2022) betrachtet
Die nachfolgenden Ausführungen betreffen nur Anlagen, die bis 31.12.2022 geliefert/abgenommen wurden (Altanlagen). Seit dem 1.1.2023 haben sich darüber hinaus durch die Einführung des neuen "Nullsteuersatzes" für begünstigte Photovoltaikanlagen viele neue und weitere Fragestellungen ergeben. Die sich für die Altanlagen ergebenden Fragestellungen sind aber auch 2023 und in den Folgejahren weiterhin relevant.
Die Erzeugung von regenerativen Energien muss systembedingt dezentral erfolgen. Damit können auch Personen, die bisher nicht unternehmerisch tätig geworden sind, durch die Errichtung und den Betrieb einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) Unternehmereigenschaft erlangen. Es muss deshalb geprüft werden, in welcher Höhe ein Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen möglich ist und wie die Besteuerung der Ausgangsleistungen und der dezentral verbrauchten Strommengen erfolgt.
Bei den bis Ende 2022 ans Netz gegangenen Anlagen ist zu unterscheiden, ob der dezentral (privat/nichtunternehmerisch) verbrauchte Strom vergütet wird (bei den in der Zeit vom 1.1.2010 bis 31.3.2012 ans Netz gegangenen Anlagen) oder nicht vergütet wird (bei den bis zum 31.12.2009 und ab dem 1.4.2012 ans Netz gegangenen Anlagen). Dies hat nicht nur eine Auswirkung auf die beim leistenden Unternehmer entstehende USt, auch die Frage der Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen und der damit zusammenhängende Vorsteuerabzug werden davon beeinflusst.
|
Inbetriebnahme bis zum 31.12.2009/ab 1.4.2012 |
Inbetriebnahme ab 1.1.2010 bis 31.3.2012 |
Umfang der Vergütung |
Nur der tatsächlich ins Netz eingespeiste Strom wird vergütet; tlw. bestehen Höchstgrenzen der Vergütung. |
Die gesamte produzierte Menge an Strom wird vergütet. |
Behandlung des privat/nichtwirtschaftlich genutzten Stroms |
Soweit die PV-Anlage dem Unternehmen zugeordnet wurde, muss eine Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b UStG besteuert werden. |
Der nichtunternehmerisch genutzte Strom wird vom Netzbetreiber zurückgekauft; eine Besteuerung einer Wertabgabe entfällt. |
Zuordnung der Anlage bei unternehmerischer und privater Nutzung |
Der Unternehmer hat ein Zuordnungswahlrecht: Er kann die Anlage ganz, gar nicht oder teilweise dem Unternehmen zuordnen. |
Die Anlage ist zwingend dem Unternehmen zuzuordnen, da sie in vollem Umfang für unternehmerische Zwecke verwendet wird (Zuordnungsgebot). |
Zuordnung der Anlage bei unternehmerischer und nichtwirtschaftlicher Nutzung |
Die Anlage kann nur insoweit dem Unternehmen zugeordnet werden, wie sie für die unternehmerischen Zwecke verwendet wird (Aufteilungsgebot). |
Vorsteuerabzug |
Der Vorsteuerabzug kann vom Unternehmer nur insoweit vorgenommen werden, wie die Anlage dem Unternehmen zugeordnet wurde. |
Die Vorsteuer kann in vollem Umfang abgezogen werden |
Erhebliche Unterschiede ergeben sich für den Unternehmer schon in der Investitionsphase. Während bei der Inbetriebnahme der Anlage vom 1.1.2010 bis zum 31.3.2012 für den Unternehmer keine Zuordnungsentscheidung auszuüben war, da die Anlage wegen der ausschließlichen unternehmerischen Nutzung zwingend dem Unternehmen zuzuordnen war, liegt bei den jetzt (seit dem 1.4.2012) ans Netz gehenden Anlagen eine nichtunternehmerische Verwendung vor, wenn Strom für private oder nichtwirtschaftliche Zwecke verwendet wird. Dies führt dazu, dass der Anlagenbetreiber bei einer nichtwirtschaftlichen Mitbenutzung (z. B. Nutzung durch einen Verein im nichtunternehmerischen Bereich oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im hoheitlichen Bereich) den Vorsteuerabzug nur insoweit vornehmen kann, wie die Anlage für unternehmerische Zwecke verwendet werden soll.
Verwendet der Unternehmer die PV-Anlage auch für private Zwecke, indem er Teile des erzeugten Stroms in einer ab dem 1.4.2012 an Netz gegangenen Anlage nicht in das Netz einspeist, kann er die Anlage dem Unternehmen vollständig, teilweise oder gar nicht zuordnen.
Dokumentation der Zuordnungsentscheidung beachten
Soweit Zuordnungswahlrechte für den Unternehmer bestehen, müssen diese Zuordnungsentscheidungen zeitnah getroffen und nach der Rechtsprechung des BFH auch zeitnah dokumentiert werden. Während früher davon ausgegangen wurde, dass die Dokumentation bis spätestens zur gesetzlichen Abgabefrist der Jahressteuererklärung gegenüber der Finanzverwaltung zu erfolgen hat, ist mittlerweile unionsrechtlich geklärt, dass die Zuordnungsentscheidung sich innerhalb dieser Frist nur aus objektiven Beweisanzeichen Dritten gegenüber ergeben muss. Wann die Dokumentation gegenüber der Finanzverwaltung erfogt, ist dann unbeachtlich. Bei Photovoltaikanlagen kann sich danach die Zuordnungsentscheidung aus dem Abschluss eines Einspeisevertrags ergeben.
Grundsätzlich kann der Stromerzeuger die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch nehmen, wenn sein Gesamtumsatz pro Kalenderjahr nicht mehr als 22.000 EUR beträgt. In diesem Fall würde keine Umsatzsteuer geschuldet, ein Vorsteuerabzug aus der Errichtung...