In der Sache selbst ging es um einen Tausch von Gesellschaftsanteilen zwischen Mutter und Sohn im Jahr 2013 im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge. Für Mutter und Sohn entstanden hierbei sowohl Schenkungsteuer als auch Einkommensteuer. Der steuerliche Berater, welcher die Familie seit Jahrzehnten zuverlässig beraten hatte, wurde von Mutter und Sohn mit der steuerlichen Begleitung dieser Transaktion beauftragt. Hierbei wies der Berater auf die Schenkungssteuerpflicht hin. Jedoch übersah er, dass der Anteilstausch auch Einkommensteuer für beide Beteiligten auslöste (§ 23 EStG: private Veräußerungsgeschäfte). Dementsprechend gingen Mutter und Sohn davon aus, dass sie allein die Schenkungssteuer zu erklären hatten. An die Pflicht zur einkommensteuerlichen Erklärung dachten beide nicht und vertrauen auf ihren Berater. Der Berater entwarf dementsprechend allein eine Schenkungssteuererklärung für den Sohn (die auch Wirkung für die Mutter hatte).
Die Jahre vergingen, bis ein Prüfer den Berater in einer steuerlichen Außenprüfung bei einer Gesellschaft, an der die Familie beteiligt war, im Oktober 2018 daraufhin ansprach, ob die einkommensteuerliche Seite der Transaktion durch ihn geprüft worden sei. Daraufhin wurde dem Steuerberater plötzlich "sehr warm" und er bemerkte nach eigener Prüfung die einkommensteuerliche Relevanz des Anteilstausches, wobei er – erneut fehlerhaft – diese Relevanz nur für die Mutter und nicht auch für den Sohn sah. Daraufhin wies er die Mutter auf diesen offenen Punkt bei der ESt 2013 hin. Die Mutter gab anschließend im Oktober 2018 unverzüglich eine steuerliche Nacherklärung für die ESt 2013 ab. Ob diese Erklärung als eine Berichtigung gem. § 153 AO oder gar als eine straf- oder bußgeldbefreiende Selbstanzeige zu werten war, konnte das FA offenlassen, da jedenfalls die Voraussetzungen einer Selbstanzeige vorlagen. Der Steuerberater hatte wohlweislich die Nacherklärung inhaltlich so aufbereitet, dass diese notfalls als eine Selbstanzeige gewertet werden konnte (vgl. hierzu Heuel/Beyer, AO-StB 2015, 129).
Der Berater hatte jedoch im Oktober 2018 nicht die weitere Konsequenz gezogen, auch für den Sohn die einkommensteuerliche Seite zu prüfen. Erst im Oktober 2019 entdeckte der Steuerberater seine Falschberatung beim Sohn, als die steuerliche Nacherklärung der Mutter zu einem geänderten Bescheid bei dieser führte und der Berater sich in diesem Zusammenhang nochmals mit dem Fall befasste. Anschließend informierte er sofort den Sohn. Dieser gab dann unverzüglich im Oktober 2019 eine geänderte Steuererklärung für ESt 2013 ab. Anschließend wurde gegen ihn ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Das FA änderte den Bescheid für 2013 entsprechend der Nacherklärung.
Im Einspruchsverfahren berief der Sohn sich auf die steuerliche Festsetzungsverjährung, da für ihn mangels Verschuldens die Regelverjährung von vier Jahren gelte, so dass bereits zum 31.12.2018 (Abgabe der ursprünglichen Erklärung in 2014) Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Das FA gewährte zwar Aussetzung der Vollziehung, wies den Einspruch dann jedoch mit der Begründung zurück, dass der Sohn vorsätzlich gehandelt habe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Berater sowohl bei der ersten Beratung in 2014 als auch in 2018 die steuerliche Erklärungspflicht des Sohnes nicht erkannt habe ("Doppelfehler"). Die Argumentation des Sohnes, er habe sich auf die Tätigkeit seines Beraters verlassen, sei daher nicht glaubhaft. Anschließend erhob der Sohn Klage gegen den Änderungsbescheid beim FG.