Prof. Dr. Dr. Carl-Christian Freidank
Rz. 41
Da der Abschlussprüfer jeweils vor Ablauf des Geschäftsjahres, auf das sich seine Prüfungstätigkeit erstreckt, gewählt werden soll und der Auftrag zur Prüfung unverzüglich nach seiner Wahl zu erteilen ist, kann schon vor Ende des zu prüfenden Geschäftsjahres mit der Vorprüfung begonnen werden. Die gesetzlichen Vertreter großer sowie mittelgroßer Kapitalgesellschaften und ihnen gesetzlich gleichgestellte Unternehmen haben für die Fertigung des zu prüfenden Jahresabschlusses und des Lageberichts 3 Monate des folgenden Geschäftsjahres Zeit. Nach Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht sind diese unverzüglich dem Abschlussprüfer vorzulegen. Bei Ausschöpfung der Aufstellungsfrist durch die gesetzlichen Vertreter besteht aber bis zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt, d. h. bei Identität von Kalender- und Geschäftsjahr bis zum 31.3., für den Abschlussprüfer die Möglichkeit, vorbereitende Schritte zu unternehmen, die durch § 320 Abs. 2 Satz 2 HGB legalisiert sind. Die eigentliche Abschlussprüfung (Hauptprüfung) kann dann spätestens am 1.4. des neuen Geschäftsjahres beginnen.
Rz. 42
Unter Berücksichtigung der aktienrechtlichen Regelungen, dass die Hauptversammlung, die den vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten und vom Abschlussprüfer geprüften Jahresabschluss und Lagebericht (Regelfall) entgegennimmt, sowie über die Verwendung des Bilanzgewinns Beschluss fasst, in den ersten 8 Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden hat und mindestens 30 Tage vor dem Tage der Versammlung einzuberufen ist (§ 123 Abs. 1 Satz 1 AktG), müssen bei Identität von Kalender- und Geschäftsjahr spätestens bis zum 31.7. des Geschäftsjahres sämtliche Prüfungs- und Berichterstattungspflichten des Aufsichtsrats gem. § 171 AktG abgeschlossen sein. Laut § 171 Abs. 3 Satz 1 und 2 AktG beträgt der Prüfungszeitraum für den Aufsichtsrat maximal 2 Monate, sofern letztendlich der Jahresabschluss vom Aufsichtsrat gebilligt wird. Aus diesen Daten ergibt sich für den Abschlussprüfer im günstigsten Falle ein Prüfungszeitraum von 2 Monaten (vom 1.4. bis 31.5.) für die Hauptprüfung, wenn Vorstand und Aufsichtsrat sämtliche gesetzlichen Fristen vollständig ausnutzen. Eine zeitlich parallele Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht durch Abschlussprüfer und Aufsichtsrat ist nicht möglich, da der Aufsichtsrat auch zu dem Ergebnis der Prüfung des Abschlussprüfers Stellung zu nehmen hat. Dies kann er aber nur nach abgeschlossener Prüfung durch den Abschlussprüfer und nach eigener Prüfung tun.
Rz. 43
Müssen sich jedoch laut Gesellschaftssatzung die Aktionäre vor der Hauptversammlung anmelden, so verlängert sich die Einberufungsfrist der Hauptversammlung um 7 Tage. In diesem ungünstigsten Fall beträgt der Prüfungszeitraum des Abschlussprüfers lediglich ca. 1 Monat und 3 Wochen, wenn Vorstand und Aufsichtsrat die gesetzlichen Fristen vollständig ausnutzen. Abbildung 6 zeigt eine Zusammenstellung der vorstehend angesprochenen Zeiträume, die für prüfungspflichtige Aktiengesellschaften typisch sind, wobei die Möglichkeiten zur Verlängerung der Einberufsfrist für die Hauptversammlung gem. § 123 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG unberücksichtigt geblieben ist.
Rz. 44
Aufgrund dieses relativ knappen Prüfungszeitraums (sog. Busy Season) wird der Abschlussprüfer versuchen, möglichst viel Arbeit in die Vorprüfung während des noch laufenden (zu prüfenden) Geschäftsjahres bis hin zum Zeitpunkt der Fertigstellung von Jahresabschluss und Lagebericht des neuen Geschäftsjahres zu verlagern. Geeignete Bereiche zur vorbereitenden (System-)Prüfung sind die Anlagen- und Materialwirtschaft, der Zahlungsverkehr mit Forderungen und Verbindlichkeiten, der Lohn- und Gehaltsverkehr, die Kostenrechnung und vor allem das Risikomanagementsystem nach § 91 Abs. 2 AktG. So geben kontrollschwache Stellen wertvolle Hinweise darauf, wo der Abschlussprüfer seine Stichproben ansetzen sollte. Im Hinblick auf seine Terminplanung wird der Wirtschaftsprüfer bemüht sein, den ihm vom Gesetz vorgegebenen Prüfungszeitraum (31.3.–31.5.) freizuhalten und den Rest des Jahres durch (zulässige) Beratertätigkeit und Fortbildung etc. auszufüllen.
Rz. 45
Abbildung 6 bringt ferner zum Ausdruck, dass die Offenlegung des Jahresabschlusses mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung spätestens vor Ablauf des 12. Monats des dem Abschlussstichtag folgenden Jahres vorzunehmen ist. Ähnliches gilt für den Lagebericht, den Bilanzeid, und die nach § 161 AktG vorgeschriebene (Entsprechens-)Erklärung. Für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften gem. § 264d HGB, die keine Kapitalgesellschaften i. S. d. § 327a HGB sind, verkürzt sich die in Rede stehende Offenlegungsfrist auf 4 Monate.
Abb. 6: Aufstellungs-, Prüfungs-, Einberufungs- und Offenlegungszeiträume bei der AG
Rz. 46
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die vorstehend dargelegte Begrenzung des Prüfungszeitraumes nicht für prüfungspflichtige Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Unt...