Leitsatz
1. Wiedereinsetzungsgründe, die erst nach Ablauf der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO vorgetragen werden, können auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn ein Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig gestellt, jedoch auf einen völlig anderen tatsächlichen Vorgang gestützt worden ist.
2. Eine psychische Krankheit greift als Entschuldigungsgrund für die Versäumung einer Rechtsmittelfrist nur dann durch, wenn sie so schwer war, dass der Kläger außer Stande war, einen Bevollmächtigten zu informieren und mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen.
3. Um glaubhaft zu machen, dass sich der Kläger in einem solchen Ausnahmezustand befunden hat, bedarf es genauer Angaben in dem ärztlichen Attest, aufgrund welcher Untersuchungsergebnisse der Arzt zu dieser Schlussfolgerung gelangt ist. Das gilt auch für eine zur Glaubhaftmachung vorgelegte amtsärztliche Bescheinigung, die nicht jeglicher Angaben zu der von dem Amtsarzt durchgeführten Untersuchung und der von ihm gestellten medizinischen Diagnose entbehren darf.
Normenkette
§ 56 FGO , § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO
Sachverhalt
Ein angehender Steuerberater war in der Prüfung durchgefallen. Er wandte sich alsbald an die Prüfungsbehörde und verlangte, die Prüfungsentscheidung möge im Einzelnen begründet werden. Klage erhob er jedoch erst am ersten Tag des zweiten Monats nach der mündlichen Prüfung mit dem Antrag, ihm Wiedereinsetzung zu gewähren, weil er nicht gewusst habe, dass die Klagefrist mit der (mündlichen) Eröffnung des Prüfungsergebnisses zu laufen beginne.
Später berief er sich für sein Wiedereinsetzungsgesuch darauf, er sei in den Wochen nach der Prüfung psychisch sehr angegriffen und depressiv und nicht in der Lage gewesen, sich mit den Ereignissen der mündlichen Prüfung auseinanderzusetzen und die für eine Überprüfung der Entscheidung der Prüfungskommission erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Dafür legte er ein psychotherapeutisches und ein amtsärztliches Attest vor.
Das FG wies die Klage ab. Es sah einen Wiedereinsetzungsgrund nicht als glaubhaft gemacht an.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen. Selbst wenn die Versagung von Wiedereinsetzung einen Verfahrensmangel darstellen sollte, fehle es an einem Revisionszulassungsgrund. Denn Wiedereinsetzung sei jedenfalls mit Recht versagt worden, weil der allein in Betracht kommende Wiedereinsetzungsgrund einer psychischen Krankheit erst vorgebracht worden sei, als die Wiedereinsetzungsfrist (§ 56 Abs. 2 FGO) bereits abgelaufen war.
Überdies habe das FG zu Recht den angeblichen Wiedereinsetzungsgrund als nicht glaubhaft gemacht beurteilt. Denn die vorgelegten Atteste seien mangels substantiierter Angaben zu der angeblichen Krankheit zur Glaubhaftmachung ungeeignet und das Vorbringen des Klägers selbst insbesondere angesichts des Umstands unglaubhaft, dass er trotz der angeblichen Krankheit habe verreisen und seinem Beruf im Ministerium habe nachgehen können.
Hinweis
1. Mündliche Verwaltungsakte bedürfen keiner Rechtsmittelbelehrung. Bei ihnen beginnt die Rechtsbehelfsfrist also im Zeitpunkt der Eröffnung des Verwaltungsakts.
Anders als beim Scheitern bereits im schriftlichen Teil der Steuerberaterprüfung (siehe dazu § 25 Abs. 3 und 4 DVStB) ist ein schriftlicher Bescheid über das Nichtbestehen der Prüfung nicht vorgeschrieben, wenn der Prüfling erst in der mündlichen Prüfung durchfällt und ihm dieses Ergebnis der Prüfung am Ende der mündlichen Prüfung eröffnet wird (§ 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB). Die Mitteilung der Prüfungskommission, dass der Prüfling die Steuerberaterprüfung nicht bestanden habe, ist dann also der maßgebliche Verwaltungsakt. Sie ist ein mündlicher Verwaltungsakt. Da die Prüfungsentscheidung vom Finanzministerium bzw. der OFD getroffen wird, ist der Einspruch nach § 348 Nr. 3 bzw. 4 AO ausgeschlossen; es muss also ggf. binnen eines Monats nach dem Tag der mündlichen Prüfung Klage zum FG erhoben werden.
Das muss der Prüfling wissen oder sich vergegenwärtigen, wenn er das Prüfungsergebnis angreifen will.
Das Verlangen des Prüflings, die Prüfungsentscheidung zu begründen (siehe § 28 Abs. 2 DVStB) oder verwaltungsintern zu überdenken (§ 29 DVStB), unterbricht die Klagefrist nicht!
2. In der Rechtsprechung des BFH ist nach wie vor nicht völlig geklärt, ob zu Unrecht – etwa wegen Versagung von Wiedereinsetzung in die Klagefrist – ergangene Prozessurteile mit einer auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels gestützten Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) angegriffen werden können. Oder verstößt das FG lediglich gegen materielles Recht, wenn es in fehlerhafter Anwendung zwar prozessualer Vorschriften, jedoch aufgrund einer verfahrensmäßig ordnungsgemäß ermittelten Grundlage seiner Urteilsfällung eine unrichtige Entscheidung getroffen hat? Überwiegend wird in der neueren Rechtsprechung wohl ein Verfahrensmangel und damit die Möglichkeit einer revisionsgerichtlichen Korrektur solcher Urteile (auch bei fehlender grundsätzlicher Bedeutung) bejaht. Sie sollten sich...