Leitsatz
Eine Rechnung, in der zwar der Bruttopreis, der Steuersatz und der Umsatzsteuerbetrag, nicht aber das Entgelt ausgewiesen sind, berechtigt grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug.
Normenkette
UStG 1980 § 14 Abs. 1 und 4 , § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 , Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 1 und 2 Buchst. a , Art. 18 Abs. 1 Buchst. a , Art. 22 Abs. 3
Sachverhalt
Die Klägerin – eine GmbH auf dem Gebiet der ambulanten Seniorenpflege – machte Vorsteuern aus Rechnungen geltend, die ihr von "freien Mitarbeitern" erteilt worden waren. Die Rechnungen sahen beispielsweise wie folgt aus:
„Für geleistete Haus- und Familienpflege im Monat ... stelle ich wie folgt in Rechnung:
Stunden |
43 à 10 DM |
430 DM |
Nachtwachen |
3 à 90 DM |
270 DM |
tgl. Fahrgeld |
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37 DM |
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737 DM |
Der Gesamtbetrag enthält die gesetzliche MwSt von 14% in Höhe von 90,51 DM.”
Das beklagte Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, da es die abrechnenden Pflegekräfte nicht als Unternehmer, sondern als Arbeitnehmer der Klägerin behandelt wissen wollte.
Das Finanzgericht wies die Klage ab, da die abrechnenden Pflegekräfte zwar als selbstständige Unternehmer anzusehen seien. Die Rechnungen berechtigten jedoch deshalb nicht zum Vorsteuerabzug, da sie nicht – wie erforderlich – die Angabe des Entgelts enthielten.
Entscheidung
Der BFH hat die Frage nach einer möglichen Scheinunternehmerschaft unbeantwortet gelassen, da der Vorsteuerabzug durch die Klägerin bereits an einer ordnungsgemäßen Rechnung scheiterte.
Nur eine Rechnung, die das umsatzsteuerliche Entgelt als Grundlage für den gesondert ausgewiesenen Steuerbetrag (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 UStG) enthalte, ermögliche den Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Die Angabe des Entgelts sei notwendig, um entsprechend der Rechnungsfunktion die verschiedenen Kostenelemente des Preises der Gegenstände oder sonstigen Leistungen und damit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zu belegen.
Diese in Abweichung von Abschnitt 202 Abs. 4 Satz 2 UStR 2000 erfolgte Interpretation ergebe sich aus der zwingenden Vorgabe von Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-RL. Danach ist als zwingende Mindestanforderung in einer Rechnung die Angabe des Preises ohne Steuer und den auf die einzelnen Steuersätze entfallenden Steuerbetrag auszuweisen. Das Entgelt bzw. der "Preis ohne Steuer" müsse sich auf den ersten Blick ergeben.
Eine Berufungsmöglichkeit auf Abschnitt 202 Abs. 4 Satz 2 UStR 2000 entfalle mangels Bindungswirkung einer Verwaltungsvorschrift. Der BFH gibt der Verwaltung jedoch auf zu prüfen, ob – unabhängig von der Möglichkeit einer Rechnungsberichtigung – aus Billigkeitsgründen eine Übergangsregelung erforderlich sei.
Hinweis
Die Entscheidung des BFH betrifft die Frage, welche Mindestanforderungen an eine Rechnung zu stellen sind, damit aus diesem Abrechnungspapier der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG geltend gemacht werden kann. Richtig ist nach wie vor die Grundaussage aus dem BFH-Urteil vom 24.9.1987 (V R 50/85, BStBl. II 1988, 688), wonach eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht sämtliche der im § 14 Abs. 1 UStG aufgeführten Merkmale aufweisen muss.
Klar war bisher aber immer schon, dass grundsätzlich nur diejenige Rechnung zum Vorsteuerabzug berechtigen konnte, die als Mindestvoraussetzung unter anderem die Vorgaben des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 5 und 6 UStG erfüllt, also die Angabe des Entgelts für die Leistung und den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag. Aus Vereinfachungsgründen hat die Verwaltung in Abschnitt 202 Abs. 4 Satz 2 UStR 2000 es für den Vorsteuerabzug ausreichen lassen, dass in einer Rechnung anstelle des Entgelts für die Leistung Entgelt und Steuerbetrag in einer Summe angegeben werden (Rechnungspreis), wenn der Rechnungsaussteller in der Rechnung außerdem den Steuerbetrag vermerkt, also z.B. Rechnungspreis 1160 DM, darin enthalten Umsatzsteuer mit 160 DM.
Immer schon unzulässig war dagegen der Vorsteuerabzug aus einer Rechnung, wo anstelle des Steuerbetrags nur der Steuersatz angegeben wurde (Ausnahme Kleinbetragsrechnung i.S.d. § 33 UStDV bzw. Fahrausweise i.S.d. § 34 UStDV).
Von diesen Grundsätzen ist der BFH unter Bezugnahme auf die Vorgabe von Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-RL nunmehr insoweit abgewichen, als er nur noch den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen zulassen will, die das Entgelt und den Steuerbetrag gesondert ausweisen. Er verlangt damit die Merkmale des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 5 und 6 UStG als Mindeststandards für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung. Er hat damit Abschnitt 202 Abs. 4 Satz 2 UStR 2000 für nicht anwendbar erklärt und auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Bindungswirkung abgelehnt. Auch hat der BFH es abgelehnt, die Auffassung der Verwaltung unter dem Grundsatz der Praktikabilität gelten zu lassen, wonach das Entgelt auf Grund der übrigen Angaben in der Rechnung errechnet werden könne. Erforderlich sei vielmehr, dass der "Preis ohne Steuer"(vgl. Wortlaut des Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL) sich "auf den ersten Blick" a...