Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Alt- oder Neugesellschafter der Kapitalgesellschaft in Bezug auf die grundbesitzende Personengesellschaft
Nicht die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, sondern nur die Kapitalgesellschaft selbst kann unmittelbare oder mittelbare Alt- oder Neugesellschafterin in Bezug auf die grundbesitzende Personengesellschaft sein.
Eine als Altgesellschafterin geltende unmittelbar oder mittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft wird in vollem Umfang zur fiktiven Neugesellschafterin, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an ihr unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 90 % ändern. Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderung der Beteiligungsverhältnisse bei der Kapitalgesellschaft den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllen würde.
Kapitalgesellschaft wird fiktive Neugesellschafterin
An einer grundbesitzenden OHG sind A zu 85 %, B zu 10 % und die C-GmbH zu 5 % beteiligt. Die Anteile der C-GmbH halten D zu 85 % und E zu 10 % und F zu 5 %.
Im Jahr 01 überträgt A seine Beteiligung an der OHG auf X. Im Jahr 02 übertragen D und F ihre Anteile an der C-GmbH auf Y und Z.
- Die Übertragung der Beteiligung des A auf X führt im Jahr 01 zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel i. H. v. 85 %.
- Durch die Übertragungen von D auf Y und F auf Z im Jahr 02 wird die C-GmbH fiktive Neugesellschafterin der OHG, da mindestens 90 % der Anteile an der C-GmbH (85 % + 5 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die C-GmbH (Y und Z) übergegangen sind. Die mittelbare Anteilsänderung ist nicht anteilig (90 % von 5 %), sondern voll mit 5 % zu berücksichtigen.
- Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist im Jahr 02 erfüllt, da innerhalb von 10 Jahren mindestens 90 % der Anteile am Vermögen der OHG (Jahr 01: 85 % + Jahr 02: 5 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die OHG (X und C-GmbH) übergegangen sind. Die Steuer wird i. H. d. Deckungsgleiche der Beteiligung des B am Vermögen der fiktiv alten und der fiktiv neuen OHG, mithin zu 10 %, nicht erhoben. Die Nachbehaltensfrist von 10 Jahren ist zu beachten.
Mehrstufige Beteiligung von Kapitalgesellschaften
An der grundbesitzenden X-OHG ist die A-GmbH zu 92 % beteiligt. An der A-GmbH wiederum ist die B-GmbH zu 92 % beteiligt. Die Gesellschafter der B-GmbH übertragen 91 % ihrer Anteile auf einen Dritten.
Es liegt eine Übertragung von mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter i. S. v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG vor. Die Übertragung der Anteile durch die Gesellschafter der B-GmbH führt dazu, dass die B-GmbH als neue Gesellschafterin der A-GmbH und die A-GmbH als neue Gesellschafterin der X-OHG gilt.
Kapitalgesellschaft wird keine fiktive Neugesellschafterin
An einer grundbesitzenden OHG sind A zu 85 %, B zu 10 % und die C-GmbH zu 5 % beteiligt. Die Anteile der C-GmbH halten D zu 85 %, E zu 10 % und F zu 5 %. Im Jahr 01 überträgt A seine gesamte Beteiligung an der OHG auf X. Im Jahr 02 überträgt D seine Anteile an der C GmbH auf Y.
Die Übertragung der Beteiligung des A auf X führt im Jahr 01 zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel i. H. v. 85 %. Durch die Übertragung von D auf Y im Jahr 02 wird die C-GmbH nicht fiktive Neugesellschafterin der OHG, da nicht mindestens 90 % der Anteile an der C-GmbH (85 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die C-GmbH (Y) übergegangen sind. Die C-GmbH bleibt Altgesellschafterin der OHG. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist im Jahr 02 nicht erfüllt, da innerhalb von 10 Jahren nicht mindestens 90 % der Anteile am Vermögen der OHG (01: 85 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die OHG übergegangen sind.
Die Eigenschaft als Altgesellschafterin der unmittelbar oder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft bleibt erhalten, wenn sich lediglich die Kette der an ihr beteiligten Kapitalgesellschaften verkürzt. Eine solche Beteiligungskette liegt vor, soweit Kapitalgesellschaften auf jeder Stufe über eine Beteiligung von mindestens 90 % miteinander verbunden sind. Das Gleiche gilt bei Beteiligungsketten, in denen sowohl Kapital- als auch Personengesellschaften beteiligt sind. Bei Personengesellschaften in der Kette ist zu beachten, dass die 90 %-ige Beteiligung auf jeder Stufe bei der Durchrechnung noch vorhanden ist. Bei der Verkürzung der Kette muss die der grundbesitzenden Personengesellschaft am nächsten stehende Kapitalgesellschaft erhalten bleiben.
Keine Verkürzung der Beteiligungskette
Am Vermögen der grundbesitzenden T-GmbH & Co. KG ist als Kommanditistin die M-GmbH zu 100 % sowie die T-GmbH, deren Alleingesellschafterin die M-GmbH ist, zu 0 % beteiligt. 100 % der Anteile an der M-GmbH hält die Z-GmbH, deren Anteile in Höhe von 60 % von der H-GmbH gehalten werden. Nachdem die Beteiligungen mehr als 10 Jahre unverändert geblieben waren, überträgt die Z-GmbH ihre Anteile an der M-GmbH auf die H-GmbH.
Durch die Übertragung von der Z-GmbH auf die H-GmbH wird die M-GmbH fiktive Neugesellschafterin der grundbesitzenden T-GmbH & Co. KG, da mindestens 90 %...