Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Die selbstständige Rechtsträgerschaft von Personen- und Kapitalgesellschaften schließt es regelmäßig aus, Bewegungen innerhalb des Gesellschafterbestands bzw. der Beteiligungsquoten der Gesellschafter grunderwerbsteuerlich zu erfassen. Unter dem Rechtsmantel dieser Gesellschaften kann allerdings aufgrund der rechtlichen Verfügungsmacht über die Gesellschaftsanteile auch die Sachherrschaft über Grundstücke erlangt werden, die der Gesellschaft gehören.
Grundstück gehört Gesellschaft
Ob ein Grundstück i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein Grundstück "gehört" der Gesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 oder 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.
Gesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG sind Kapital- und Personengesellschaften.
Hierzu zählen alle Gesellschaften, die grunderwerbsteuerlich als eigenständige Rechtsträger anzusehen sind. Zum einen gehören dazu die Kapitalgesellschaften, wie z. B. die AG, die SE, die GmbH, die KGaA, eingetragene Genossenschaften und die Unternehmergesellschaft i. S. d. § 5a GmbHG. Zum anderen rechnen hierzu auch die Personengesellschaften, wie z. B. die OHG, die Partnerschaftsgesellschaft, die KG oder die GbR.
Eingetragene und nicht eingetragene Vereine, Stiftungen, stille Gesellschaften und sonstige Innengesellschaften gehören, ebenso wie die Erbengemeinschaft, nicht zu den Gesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG.
5.1 Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG im Überblick
§ 1 Abs. 3 GrEStG besteuert einen Rechtsträgerwechsel der der Gesellschaft gehörenden inländischen Grundstücke, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht kommt. Der Anwendungsvorrang des § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG gilt auch dann, wenn die Grundwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a Satz 6 oder Abs. 2b Satz 6 GrEStG oder auf Grund einer Steuerbefreiung nicht erhoben wird.
Der Steuer unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG:
- ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden würden. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG knüpft die Steuerpflicht an ein Rechtsgeschäft und nicht an die tatsächliche Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand. Unter Rechtsgeschäft im vorstehenden Sinne versteht man einseitige und zweiseitige Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an der Gesellschaft begründen. Es muss sich dabei um ein Rechtsgeschäft handeln, das in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt ist. Auch ein Widerruf als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung kann ein Rechtsgeschäft i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sein, wenn das Recht zum Widerruf in einem schuldrechtlichen Geschäft – z. B. einer vertraglichen Vereinbarung – angelegt ist. Der Widerruf als Gestaltungsgeschäft begründet zwar selbst kein Schuldverhältnis, er ändert aber den Inhalt eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses;
- die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist;
- ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft begründet;
- der Übergang unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen ist.