Leitsatz
1. Eine durch ein notariell beurkundetes Verkaufsangebot erlangte Option auf den Erwerb von Aktien begründet regelmäßig noch kein wirtschaftliches Eigentum des potenziellen Erwerbers.
2. Bei rechtlich, wirtschaftlich und zeitlich verbundenen Erwerben von Aktienpaketen einer AG durch denselben Erwerber zu unterschiedlichen Entgelten muss der Kaufpreis (= Veräußerungspreis i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) für das einzelne Paket für steuerliche Zwecke abweichend von der zivilrechtlichen Vereinbarung aufgeteilt werden, wenn sich keine kaufmännisch nachvollziehbaren Gründe für die unterschiedliche Preisgestaltung erkennen lassen.
Normenkette
§ 17 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte war über zwei vermögensverwaltende Familiengesellschaften bürgerlichen Rechts zu insgesamt 27,727291 % an einer AG beteiligt. Das gesamte Aktienkapital befand sich – zunächst – im Eigentum der beiden GbR.
Der Kläger hatte seiner minderjährigen Tochter bereits 1989 schenkweise eine Unterbeteiligung an seiner Beteiligung i.H.v. 48,8 % eingeräumt. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage suchte die AG im Streitjahr 1993 einen Investor, der das Eigenkapital verstärken sollte.
Die X aus England war an einer vollständigen Übernahme der AG interessiert. Daraufhin beschlossen die Gesellschafter der AG, deren Grundkapital von 12 Mio. DM um 13 Mio. DM zu erhöhen. Dazu wurden 130 000 junge Inhaberstammaktien an eine Tochtergesellschaft der X, die Y-GmbH, gegen Bareinlage von rd. 30 Mio. DM ausgegeben.
Das gesetzliche Bezugsrecht der Altaktionäre war ausgeschlossen worden.
In mehreren Verträgen vom 02.11.1993 regelten die Altaktionäre der AG und die Y-GmbH das weitere Vorgehen. Der X wurde durch ein bindendes Kaufangebot das Recht eingeräumt, durch eine zwischen dem 10.10.1994 und dem 31.03.1995 abzugebende Erklärung die Altaktien zum Kaufpreis von 179 350 000 DM zu erwerben. Im Fall der Nichtannahme des Kaufangebots sollte die – mittelbar – von der X erworbene Mehrheit der Stimmrechte an der AG durch Umwandlung eines Teils der Anteile in nicht stimmberechtigte Vorzugsaktien wieder beseitigt werden. Außerdem übernahmen die Altaktionäre einen den Betrag von 14 Mio. DM übersteigenden Fehlbetrag der AG. Den Differenzbetrag überwiesen sie 1994 an die AG.
1994 schlossen die Y-GmbH und als Vertreter der X ein Herr Z einen Kaufvertrag mit den Altaktionären über den Kauf der Altaktien zu dem seinerzeit festgelegten Preis.
Zum Ausgleich eines 1994 entstandenen weiteren Verlusts entrichteten die Altaktionäre einen weiteren Betrag von 20 Mio. DM an die AG.
Das FA setzte mit ESt-Bescheid für 1993 für die Veräußerung der wesentlichen Beteiligung durch den Kläger einen Veräußerungsgewinn von 37 617 448 DM an.
Der BFH hob das der Klage stattgebende Urteil des FG (EFG 2006, 186) auf die Revision des FA auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
Zu Unrecht habe das FG für das Streitjahr 1993 keinen Veräußerungsgewinn angenommen. Indes errechne sich dieser allein anhand des auf den Verzicht des Bezugsrechts betreffend die jungen Stammaktien entfallenden Entgeltsanteils.
Der Kläger sei über die beiden GbR entsprechend seiner vermögensmäßigen Beteiligung wie ein Bruchteilseigentümer wesentlich an der AG beteiligt gewesen (vgl. BFH, Urteil vom 08.11.2005, VIII R 11/02, BFH-PR 2006, 93).
Weder die X noch die Y-GmbH seien zivilrechtliche oder wirtschaftliche Inhaber der Altaktien bereits im Streitjahr 1993 geworden. Es fehle bereits an einem schuldrechtlichen Vertrag über die Veräußerung der Anteilsrechte. Ebenso seien auch noch keine wesentlichen Rechte auf die X übergegangen gewesen. Sie habe zwar die Chance einer Wertsteigerung gehabt, indes noch nicht das Risiko auch einer Wertminderung getragen. Im Streitjahr sei zwar die Ausübung der nur einseitigen Option möglich gewesen. Indes habe sich diese Möglichkeit noch nicht nach den vertraglichen Verhältnissen zu einem typischen Sachverhalt verdichtet gehabt. Der Abschluss eines Sicherungsvertrags zwischen den Altaktionären und der X allein habe ebenso wenig zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die X geführt.
Jedoch hätten die Altaktionäre eine Anwartschaft auf eine Beteiligung i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG auf die Y-GmbH übertragen, indem sie auf ihr Recht auf den Bezug junger Aktien verzichtet hätten. Entgegen der Annahme des FG sei dies auch entgeltlich erfolgt. Entgelt sei nämlich ein Teil des bereits im Streitjahr 1993 vereinbarten und von der X 1994 entrichteten Kaufpreises für den Erwerb der Altaktien. Es handle sich wirtschaftlich um ein zusätzliches Entgelt für den Verzicht der Altaktionäre auf ihr Bezugsrecht.
Für die Annahme eines Veräußerungsgeschäfts reiche es aus, wenn die Gegenleistung in einem unmittelbaren oder zumindest kausal begründeten sachlichen Zusammenhang mit der Leistung der Bezugsrechte stehe. Die erst in einem späteren Veranlagungszeitraum gezahlte Gegenleistung wirke steuerlich auf den Zeitpunkt der Realisierung e...