Rz. 17
Wenn die Anzahl der Vieheinheiten die Höchstgrenze des § 241 Abs. 1 BewG nachhaltig übersteigt, bestimmt § 241 Abs. 2 BewG unter Berücksichtigung der Zweige des Tierbestandes nach der Flächenabhängigkeit die weitere Vorgehensweise bei der Abgrenzung der landwirtschaftlichen von der gewerblichen Tierzucht/-haltung.
Bei der Beurteilung, ob es sich im Feststellungszeitpunkt um eine nachhaltige Überschreitung der Vieheinheiten-Grenze des § 241 Abs. 1 BewG handelt, ist auf die Grundsätze zum Strukturwandel zurückzugreifen (s. auch § 232 BewG Rz. 40). Ist wegen fehlender struktureller, auf Dauer angelegter Maßnahmen, die zu einer wiederholten Überschreitung der Vieheinheitengrenze geführt haben, zunächst nicht erkennbar, ob ein nachhaltiger Strukturwandel vollzogen wurde, ist ein Beobachtungszeitraum von drei aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahren zugrunde zu legen. Wird die Vieheinheitengrenze in diesem Zeitraum regelmäßig auch nur geringfügig überschritten, ist die Überschreitung der Vieheinheitengrenze ab dem vierten Wirtschaftsjahr relevant (sog. allmählicher oder schleichender Strukturwandel). Von dem Fall des allmählichen oder schleichenden Strukturwandels ist der Fall des sofortigen Strukturwandels zu unterscheiden, in dem der Landwirt durch auf Dauer angelegte planmäßige Maßnahmen seinen Betrieb bewusst so umstrukturiert, dass die Vieheinheitengrenze nachhaltig überschritten wird. Die ist insbesondere bei Investitionen in die Kapazitätserweiterung der Tierzucht-/haltung (z. B. Stallneubau) ohne kompensierende Maßnahmen zur Erweiterung der als Futtergrundlage zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen anzunehmen. Bei einem sog. sofortigem Strukturwandel ist bereits die erstmalige Überschreitung der Vieheinheitengrenze relevant.
Rz. 18
Ist die Vieheinheitengrenze des § 241 Abs. 1 BewG nachhaltig überschritten (Rz. 17), so gehören gem. § 241 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 BewG nur die Zweige des Tierbestandes zur landwirtschaftlichen Nutzung, deren Vieheinheiten zusammen diese Grenze nicht übersteigen. Als Zweig des Tierbestands gilt gem. § 241 Abs. 3 S. 1 BewG bei jeder Tierart für sich das Zugvieh, das Zuchtvieh, das Mastvieh und das übrige Nutzvieh (Rz. 21). Zunächst sind mehr flächenabhängigen Zweige des Tierbestandes und danach die weniger flächenabhängigen Zweige des Tierbestandes zur landwirtschaftlichen Nutzung zu rechnen. Innerhalb jeder dieser Gruppen sind wiederum zuerst Zweige des Tierbestandes mit der geringeren Anzahl von Vieheinheiten und dann Zweige mit der größeren Anzahl von Vieheinheiten zur landwirtschaftlichen Nutzung zu rechnen. Der Tierbestand innerhalb eines einzelnen Zweigs wird nicht aufgeteilt. Insoweit ist die Zuordnungsentscheidung immer auf den Zweig des Tierbestandes bezogen zu treffen.
Durch die differenzierte Abgrenzungsregelung in § 241 Abs. 2 BewG nach Zweigen des Tierbestandes wird für einige Fälle ermöglicht, dass bei nachhaltigem Überschreiten der Vieheinheitengrenze des § 241 Abs. 1 BewG zumindest noch ein Teil des Tierbestandes der landwirtschaftlichen Nutzung zugerechnet werden kann.
In der Bewertungspraxis bietet es sich an, zu prüfen, welche Tierbestände nach Maßgabe des § 241 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 BewG nicht mehr zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören. Hat ein Betrieb einen Tierbestand mit mehreren Zweigen, richtet sich deren Zuordnung nach ihrer Flächenabhängigkeit gem. Anlage 35 zum BewG.
Auszug aus Anlage 35 BewG:
Gruppen der Zweige des Tierbestandes nach der Flächenabhängigkeit |
1. Mehr flächenabhängige Zweige des Tierbestandes |
Pferdehaltung, |
Rindviehzucht, |
Pferdezucht, |
Milchviehhaltung, |
Schafzucht, |
Rindviehmast. |
Schafhaltung, |
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2. Weniger flächenabhängige Zweige des Tierbestandes |
Schweinezucht, |
Legehennenhaltung, |
Schweinemast, |
Junghühnermast, |
Hühnerzucht, |
Entenmast, |
Entenzucht, |
Gänsemast, |
Gänsezucht, |
Putenmast. |
Putenzucht, |
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Anmerkung zur Anlage 35 BewG:
Die Kälbermast gehört zur Rindviehmast. Die Damtierhaltung ist den mehr flächenabhängigen Tierarten zuzuordnen. Kaninchen gehören hingegen zu den weniger flächenabhängigen Zweigen des Tierbestandes.
Der gewerblichen Tierzucht/-haltung sind zunächst die weniger flächenabhängigen Zweige des Tierbestandes zuzurechnen. Weniger flächenabhängig ist die Erzeugung und Haltung von Schweinen und Geflügel, mehr flächenabhängig die Erzeugung und Haltung von Pferden, Rindvieh und Schafen (Rz. 27). Innerhalb der beiden Gruppen der weniger oder mehr flächenabhängigen Tierarten ist jeweils zuerst der Zweig der gewerblichen Tierzucht/-haltung zuzurechnen, der die größere Zahl von Vieheinheiten hat. Ein Zweig des Tierbestandes kann nicht weiter aufgeteilt werden. Er kann immer nur im Ganzen zur landwirtschaftlichen oder gewerblichen Tierzucht/-haltung gehören. Übersteigt z. B. bei einem ausschließlich Mastschweine produzierenden Betrieb die Zahl der Vieheinheiten die Höchstgrenze nach § 241 Abs. 1 BewG, so muss der gesamte Tierbestand der gewerblichen Tierzucht/-haltung zugerechnet werden.
Rz. 19-20
Eins...