2.1.5.1 Systematik des vereinfachten Ertragswertverfahrens
Rz. 19
Im vereinfachten Ertragswertverfahren wird der (vorläufige) Ertragswert ermittelt, in dem
- der jährliche Reinertrag des Grundstücks (für Grund und Boden sowie Gebäude) unmittelbar (ohne vorherigen Abzug einer Bodenwertverzinsung) über die wirtschaftliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen – als Zeitrente – kapitalisiert wird und
- der Bodenwert in einer über die wirtschaftliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen abgezinsten Größenordnung dem kapitalisierten jährlichen Reinertrag des Grundstücks hinzugerechnet wird.
Bei der Kapitalisierung des jährlichen Reinertrags des Grundstücks und der Abzinsung des Bodenwerts ist jeweils derselbe Liegenschaftszinssatz heranzuziehen.
Da der Wert des Grund und Bodens grundsätzlich eine stete Größe darstellt, wird unterstellt, dass der Grund und Boden zum Ablauf der Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen dem Wert am Wertermittlungsstichtag entspricht. Zur Vermeidung einer Doppelberücksichtigung des bereits im Rahmen der Kapitalisierung des jährlichen Reinertrags des Grundstücks (für Grund und Boden sowie Gebäude) erfassten Ertragswertanteils für den Grund und Boden, ist der nach Ablauf der Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen verbleibende – wertbeständige – Bodenwert wiederum über die wirtschaftliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen auf den Wertermittlungsstichtag abzuzinsen. Zu beachten ist, dass es sich bei dem abgezinsten Bodenwert nicht um den Bodenwertanteil am Ertragswert handelt, sondern lediglich um den komplementären Restwert. Bei langer wirtschaftlicher Restnutzungsdauer der baulichen Anlage geht dieser Restwert gegen 0 und kann bei nicht zu hohen Bodenwerten vernachlässigt werden.
Die Summe des Barwerts des Reinertrags des Grundstücks und der abgezinste Bodenwert ergeben den (vorläufigen) Ertragswert.
Vereinfachtes Ertragswertverfahren nach der ImmoWertV
Rz. 20
Im vereinfachten Ertragswertverfahren verbleibt der Bodenwertverzinsungsbetrag (Reinertragsanteil des Grund und Bodens) – im Gegensatz zum allgemeinen Ertragswertverfahren – Bestandteil des gesamten Reinertrags des Grundstücks. Infolgedessen umfasst der kapitalisierte Reinertrag des Grundstücks nicht nur den Ertragswertanteil für die baulichen Anlagen, sondern bezogen auf die wirtschaftliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen auch den Ertragswertanteil für den Grund und Boden.
Der Bodenwert (als Barwert einer ewigen Rente seines Bodenwertverzinsungsbetrags) ist daher zur Vermeidung einer Doppelberücksichtigung des bereits im Rahmen der Kapitalisierung des gesamten Reinertrages erfassten Ertragswertanteils des Grund und Bodens über die wirtschaftliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen abzuzinsen. Zur Verdeutlichung der Berücksichtigung des Bodenwertanteils (Bodenwertverzinsungsbetrags) am Reinertrag im vereinfachten Ertragswertverfahren folgende Darstellung:
Berücksichtigung des Boden(ertrags)wertanteils im vereinfachten Ertragswertverfahren
2.1.5.2 Formel des vereinfachten Ertragswertverfahrens
Rz. 21
Die Formel für das vereinfachte Ertragswertverfahren lautet:
EW = RE × KF + BW × AF +/– boG
wobei KF = |
qn- 1 |
q = 1 + LZ (LZ = |
p |
) |
qn × (q-n) |
100 |
EW |
= Ertragswert |
RE |
= jährlicher Reinertrag |
KF |
= Kapitalisierungsfaktor (Barwertfaktor gem. § 34 Abs. 2 ImmoWertV) |
BW |
= Bodenwert (ohne Berücksichtigung selbstständig nutzbarer Teilflächen) |
AF |
= Abzinsungsfaktor (Barwertfaktor gem. § 34 Abs. 3 ImmoWertV) |
LZ |
= Liegenschaftszinssatz |
n |
= wirtschaftliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlage |
p |
= Zinsfuß |
boG |
= besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale |
2.1.5.3 Finanzmathematische Grundlagen des vereinfachten Ertragswertverfahrens
Rz. 22
Finanzmathematisch lässt sich die Formel für das vereinfachte Ertragswertverfahren (Rz. 21), die sowohl Elemente der Kapitalisierung als auch der Abzinsung enthält, wie folgt erklären:
Abzinsung des Bodenwerts (BW x AF):
Im Wege der Abzinsung oder auch Diskontierung genannt, wird ermittelt, welchen Wert ein zukünftiges Kapital (Kn = Endwert des Kapitals) durch Abzug aller Zins- und Zinseszinsen bezogen auf den Wertermittlungsstichtag hat (K0 = Anfangswert bzw. Barwert des Kapitals).
Ein erst in der Zukunft verfügbares Kapital, ist weniger wert, als ein sofort verfügbares Kapital. Wird z. B. ein Kapital in Höhe von 10.000 EUR über 1 Jahr zu einem Zinssatz von 5 % angelegt, ergibt sich nach einem Jahr ein Kapital in Höhe von 10.500 EUR. Umgekehrt betrachtet sind diese 10.500 EUR auf den Zeitpunkt des Beginns der Anlage bezogen nur 10.000 EUR wert (10.500 EUR / 1,05 = 10.000 EUR).
Wird die Anlagedauer in dem vorgenannten Beispiel auf 2 Jahre verlängert, beträgt der Endwert des Kapitals nach 2 Jahren 11.025 EUR (10.000 EUR x 1,05 x 1,05 bzw. 10.000 EUR x 1,05²). Der auf den Beginn der Anlage bezogene Anfangswert bzw. der Barwert des Kapitals bleibt hingegen unverändert bei 10.000 EUR (11.025 EUR / 1,05²).
Hie...