Rz. 24

In § 253 Abs. 2 S. 4 BewG werden Fälle behandelt, in denen es ausnahmsweise zu einer Verlängerung der (wirtschaftlichen) Restnutzungsdauer kommen kann (Rz. 16).

Sind nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten, die die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes wesentlich verlängert haben, ist gem. § 253 Abs. 2 S. 4 BewG von einer entsprechend verlängerten wirtschaftlichen Restnutzungsdauer auszugehen. Diese tradierte Formulierung[1] ist unglücklich, da nicht die in der Anlage 38 zum BewG angegebene Gesamtnutzungsdauer, sondern nur die Restnutzungsdauer des Gebäudes im Feststellungszeitpunkt verlängert wird.

In Kontinuität zu den Regelungen zur Einheitsbewertung setzt eine Verlängerung der Restnutzungsdauer durch bauliche Maßnahmen nicht nur voraus, dass das Gebäude hierdurch grundlegend erneuert und verbessert wurde, sondern dass auch tragende Bauteile – zumindest teilweise – erneuert worden sind.[2]

In der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes wurde in diesem Zusammenhang eine Kernsanierung und eine Entkernung als mögliche bauliche Maßnahmen angeführt, die zu einer wesentlichen Verlängerung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer führen können. Ergänzend wurde ausgeführt, dass eine Verlängerung der Restnutzungsdauer des Gebäudes z. B. vorliegen kann, wenn nicht nur der Ausbau (u. a. Heizung, Fenster und Sanitäreinrichtungen) umfassend modernisiert, sondern auch der Rohbau (u. a. Fundamente, tragende Innen- und Außenwände, Treppen, Dachkonstruktion sowie Geschossdecken) teilweise erneuert worden ist.[3]

An den vorstehenden Ausführungen wird der Wille des Gesetzgebers deutlich, dass in dem Massenverfahren zur Feststellung von Grundsteuerwerten aus Vereinfachungsgründen nur in sehr wenigen Ausnahmefällen eine Verlängerung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer in Betracht kommen soll. Ausgeschlossen ist insbesondere, dass anhand des Modells zur Ermittlung der Restnutzungsdauer von Wohngebäuden unter Berücksichtigung von Modernisierungen an einzelnen Modernisierungselementen (Ausbauelementen) nach der Anlage 2 der ImmoWertV[4] bei der Grundsteuerbewertung eine verlängerte Restnutzungsdauer geprüft und angenommen wird.[5]

 

Rz. 25

Nach der Verwaltungsauffassung ist nur bei einer Kernsanierung von einer wesentlichen Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer i. S. d. § 253 Abs. 2 S. 4 BewG (Rz. 24) auszugehen.[6]

Eine einheitliche Definition für eine Kernsanierung gibt es nicht. Unter weitgehender Übernahme der Beschreibung einer Kernsanierung durch die Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Nordrhein-Westfalen (AGVGA) in ihrem Modell zur Ableitung von Sachwertfaktoren[7] setzt die Finanzverwaltung für eine Kernsanierung insbesondere voraus[8], dass

  • nicht nur der Ausbau (u. a. Heizung, Fenster und Sanitäreinrichtungen) umfassend modernisiert, sondern auch der Rohbau jedenfalls teilweise erneuert worden ist;

    • Allein bauliche Maßnahmen an nicht tragenden Bauteilen (z. B. Neugestaltung der Fassade) verlängern die Restnutzungsdauer hingegen nicht wesentlich.
  • das Gebäude durch die Baumaßnahmen in einen Zustand versetzt wird, der nahezu einem neuen Gebäude entspricht;

    • Das Gebäude wird hierzu zunächst bis auf die tragende Substanz zurückgebaut.
    • Decken, Außenwände, tragende Innenwände und ggf. der Dachstuhl bleiben dabei i. d. R. erhalten; ggf. sind diese zu ertüchtigen und/oder instand zu setzen.
  • insbesondere

    • Dacheindeckung,
    • Fassade,
    • Innen- und Außenwände mit Ausnahme der tragenden Wände,
    • Fußböden,
    • Fenster,
    • Innen- und Außentüren sowie
    • sämtliche technische Systeme, wie z. B. der Heizung einschließlich aller Leitungen, des Abwassersystems einschließlich der Grundleitungen, der elektrischen Leitungen und der Wasserversorgungsleitungen, sofern diese technisch einwandfrei und als neubauähnlich und neuwertig zu betrachten sind,

komplett erneuert worden sind.

Im Einzelfall müssen jedoch nicht zwingend alle der vorgenannten Kriterien gleichzeitig erfüllt sein. Dies gilt insbesondere für solche Gebäude und Gebäudeteile, bei denen aufgrund baurechtlicher Vorgaben eine weitreichende Veränderung nicht zulässig ist (z. B. unter Denkmalschutz stehende Gebäude und Gebäudeteile).[9]

Eine vergleichbare Umschreibung einer Kernsanierung findet sich teilweise auch in der ImmoWertV wieder. Nach Anlage 2, Teil II.1. der ImmoWertV kann die Restnutzungsdauer bei kernsanierten Objekten bis zu 90 % der jeweiligen Gesamtnutzungsdauer betragen. Der Verordnungsgeber geht ebenfalls davon aus, dass durch eine Kernsanierung das Gebäude in einen Zustand versetzt wird, der nahezu einem neuen Gebäude entspricht. Bei einer Kernsanierung ist als Baujahr das Jahr der fachgerechten Sanierung zugrunde zu legen. Die teilweise noch verbliebene alte Bausubstanz oder der von neuen Gebäuden abweichende Zustand ist durch einen Abschlag zu berücksichtigen.

Die Finanzverwaltung hat sich vor diesem Hintergrund aus Vereinfachungsgründen dazu entschieden, dass die Rest...

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